Heidelberg: Frühere Spitzensportlerin Wirth-Brunner sieht sich in ihrer Ehre verletzt
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Dass die ehemalige Weltklasseschwimmerin Ursel Wirth-Brunner Temperament hat, das weiß man. Aber nun am Telefon hörte sie sich sehr aufgebracht und tief verletzt an: Zum ersten Mal muss die stadtbekannte Persönlichkeit, die bis heute von vielen wegen ihres dunklen Teints nur "Mohrle" genannt wird, Eintritt zahlen, wenn sie schwimmen gehen will. Das Privileg des freien Eintritts in die städtischen Bäder war die einzige Ehrung, die Heidelberg der Athletin, Trainerin und Lehrerin zuteil werden ließ - wenn man einmal von der 2014 verliehenen Bürgerplakette absieht.
Seit den Olympischen Spielen von Tokio 1964 hat sie das Recht, die Bäder in Heidelberg gratis zu nutzen - auch wenn sie im Grunde nur noch ins Hasenleiser-Hallenbad in ihrem Stadtteil Rohrbach geht. Doch bereits vor einem Jahr änderte sich etwas: Wirth-Brunner bekam erstmals ganz formal eine Jahreskarte ausgestellt, wenn auch kostenlos. Als sie unlängst im Sport- und Bäderamt und dann bei den Stadtwerken nachfragte, ob sie denn dieses Jahr ebenfalls wieder so etwas bekommen werde, hieß es: "Nein, Sie müssen jetzt bezahlen."
Eine Sprecherin der Stadtwerke erklärte auf RNZ-Nachfrage: "Der freie Eintritt für Frau Wirth-Brunner war eine Ausnahme, mit der ihre Leistungen als verdiente Sportschwimmerin, deren Namen man mit der Stadt Heidelberg verbindet und die sich immer wieder ehrenamtlich engagiert hat, honoriert wurden. Dieses Vorgehen entspricht jedoch inzwischen nicht mehr unseren Compliance-Regeln."
Das neudeutsche Wort "Compliance" bedeutet die Einhaltung von einheitlichen Regeln, die einer Bevorzugung oder ungerechtfertigten Privilegien entgegenwirken sollen. Und weil die Stadtwerke mit öffentlichen Geldern wirtschaften, müsse man "besonderen Wert auf die Einhaltung von Compliance-Regeln legen".
Wirth-Brunner - 27-fache Deutsche Meisterin, zweimalige Bronzemedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen 1960 und Sportlerin des Jahres 1963 - geht es nicht ums Geld, "sondern um die Ehre". Natürlich habe sie als pensionierte Lehrerin Geld genug, "dass ich mir von mir aus zehn Jahreskarten kaufen kann" - eine Jahreskarte für die Hallenbäder kostet 200 Euro. "Ich werde am 30. Januar 78 Jahre. Wenn ich 40 wäre, würde ich mir natürlich so eine Jahreskarte kaufen." Aber sie schmerzt, dass ihr ohne weitere Begründung diese Anerkennung genommen wurde: "Ich bin Heidelbergerin, habe immer hier gelebt und bin nie weggegangen. Und man soll mir mal irgendeinen nennen, der sich für den Schwimmsport in meiner Heimatstadt so eingesetzt hat - schließlich habe ich seit meinem 14. Lebensjahr den Heidelberger Sport vertreten. Wenn jetzt die Stadt oder die Stadtwerke sagen, die Wirth-Brunner muss auf einmal Eintritt für das Hasenleiserbad bezahlen, empfinde ich das als Degradierung meiner Leistung."
Und das sieht Wirth-Brunner offenbar nicht alleine so, wie sie berichtet: Sogar die Bademeister könnten es nicht verstehen, dass das Sportidol, das noch heute ehrenamtlich Kindern Schwimmunterricht gibt, auf einmal Eintritt zahlen muss. Jetzt will sie Oberbürgermeister Eckart Würzner schreiben. Denn konfliktscheu war sie nie: Aus Protest gegen das ausufernde Doping hatte sie 1984 ihr Amt als Schwimmtrainerin niedergelegt. Später widmete sie sich dann vor allem dem Fechten.