Kolumne: Hier spricht der Boomer: Wie Corona unsere Transusen-Republik entlarvt
Wir haben immer geglaubt, dass Deutschland in vielen Bereichen ganz vorne mitspielt. Jetzt erleben wir gerade, dass unser Land versagt. Aber es gibt eine Hoffnung, meint unser Gastautor.
Jetzt geht es um Tempo. Jede Minute, die wir schneller impfen, zählt. Am besten Tag und Nacht. Geschwindigkeit kann Leben retten, unsere Wirtschaft beleben und unsere Freiheiten schneller zurück bringen. Dann das hier: Nach den Beratungen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern heißt es, dass die Hausärzte "schrittweise" ins Impfen einbezogen werden sollen. Spätestens Mitte April soll es aber losgehen in den Arztpraxen. Mitte April! Ernsthaft? Wir haben jetzt Anfang März! PAID Impfen beim Hausarzt 14.20
Am fehlenden Impfstoff kann es nicht liegen. 12,5 Millionen Dosen wurden, Stand Mittwoch, geliefert. Nur acht Millionen Dosen sind verabreicht. "Wir könnten heute schon anfangen. Die Praxen stehen parat", sagt Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. "Bei uns wird sicher kein Impfstoff übrig bleiben."
Corona-Pandemie: Von Krisenmodus keine Spur
Im Hintergrund dieses Desasters gehen wir unseren normalen Geschäften nach. Krisenmodus? Tempo? Neue Ideen? Keine Spur.
Die mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Autorin Caroline Ehmcke ergeht sich in Kalendersprüchen über den Lockdown: "Es war auch ein Jahr der Freundschaft. Man hat ja dauernd neue Formen entwickeln müssen, um sich zu sehen. Oder, wie man sich um andere kümmern kann. Und ich fand, es war auch sehr lustig und kreativ und ungewohnt." Lustig. Aha.
Der Irokesenkamm-Träger und Autor Sascha Lobo teilt ungerührt die Welt weiter in Links und Rechts auf und macht sich Sorgen um "Strukturprobleme bei den Konservativen". Die Linken bleiben auch in der größten Krise die besseren Menschen. Natürlich.
Merkel verliert ihr Image als Problemlöserin
Der Edel-Punk und Autor Hans Platzgumer darf in einem "Zeit"-Interview über "Entschleunigung" und "Kamikaze-Kapitalismus" referieren: "Ich begreife es als Chance, dass vieles von diesem ausbeuterischen System, mit dem wir die Welt und uns selbst kaputtmachen, verändert oder zumindest infrage gestellt wird." Viele Grüße aus dem satten Deutschland an Milliarden Menschen in den Schwellenländern, die auf den Kapitalismus und Beschleunigung als ihre einzige Chance auf mehr Wohlstand hoffen.
Unsere Kanzlerin hat sich 16 Jahre lang als unideologische Problemlöserin präsentiert. Auf den letzten Metern ihrer Regentschaft erleidet dieses Image einen Totalschaden. Mit ihren schwerfälligen Getreuen Peter Altmaier und Helge Braun verschleppt sie das Tempo. Oder sie macht andere verantwortlich.
Hoffnung machen Leute, die nicht in Talkshows sind
Gibt es noch Hoffnung für unsere überforderte Republik? Ja. Es sind die kleinen Räder. Menschen, die man nicht in Talkshows sieht. Kita-Betreuerinnen, Lehrerinnen, Ladenbetreiber, eine Handvoll Lokalpolitiker, Eltern, die den Alltag gegen alle Widerstände in den Griff bekommen. Alles Menschen, die selber organisieren. Weil sie nicht länger auf die transusigen Dienstvorgänge einer überforderten Republik warten wollen.