Dicke Luft in Edingen: Anwohner maß einen Monat Dieselschadstoff in der Hauptstraße
Von Maren Wagner
Edingen-Neckarhausen. Irgendwann hatte Rolf Epking die Nase voll. Er wohnt in der Hauptstraße in Edingen, und schon lange ärgert den Ingenieur der Verkehr, die lärmenden Laster, die sogar nachts fahren, die Autokolonnen am Morgen. Schlimmer geworden ist alles mit der Baustelle auf der A656, bei Stau wird Edingen zur Hauptausweichroute. In Wiesloch, das hatte Epking gelesen, plagt Anwohner nicht nur der Lärm, sondern auch die Verschmutzung der Luft mit NO2, dem Dieselschadstoff Stickstoffdioxid. Und er fragte sich: Könnten auch wir damit belastet sein? Die Hauptquelle für Stickstoffdioxid ist der Straßenverkehr, der überwiegende Teil wiederum wird von Diesel-Autos abgegeben.
"Reinen Zufall", nennt Epking das, was dann Anfang dieses Jahres ablief. Er sei auf eine Aktion der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gestoßen, "Decke auf, wo Atmen krank macht". Dabei sollte "die Belastung der innerstädtischen Atemluft mit dem Dieselabgasgift NO2" gemessen werden. Wo, das konnten Bürger im Internet vorschlagen.
Epking gab in das Formular die Hauptstraße in Edingen ein, dazu seine Hausnummer, wenige Schritte vom Rathaus entfernt. Er beschrieb die Verkehrssituation, gab Staus an, die Nähe zu Kreuzungen, die Zahl der Fahrspuren. Er erklärte, wie die Bebauung aussieht, tippte ein, ob Kitas in der Nähe sind, Schulen oder Altenheime. Denn besonders Kinder und alte Menschen kann verschmutzte Luft krank machen.
Dann setzte Epking einen Haken in das Kästchen, das fragte, ob er bereit sei, die Messröhrchen anzubringen. "Wir wollten Messorte abseits der offiziellen Messstationen abdecken, die an verkehrsreichen Orten liegen", sagt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH in Berlin. Edingen passte dazu. "Alle Vorschläge konnten wir leider nicht berücksichtigen."
Zwei Röhrchen, sogenannte Passivsammler, gingen an den Neckar, am 1. Februar hängte sie Epking in der Hauptstraße auf, am 1. März nahm er sie ab. So war es von der DUH vorgegeben. Die Röhrchen wurden dann in der Schweiz ausgewertet.
In der EU gelten für NO2 zwei Grenzwerte: Ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter und ein Ein-Stunden-Mittelwert, ein sogenannter Kurzzeitwert, von 200 Mikrogramm, der pro Jahr 18 Mal überschritten werden darf. Davon ist Edingen weit entfernt. Die Röhrchen, deren NO2-Konzentration in der Schweiz ermittelt wurde, ergaben 23,3 Mikrogramm. Zum Vergleich: Spitzenreiter bei der Stickstoffdixiod-Belastung in Baden-Württemberg ist Stuttgart mit 82 Mikrogramm pro Kubikmeter; in der Mittermaierstraße in Heidelberg wurden 55 Mikrogramm gemessen, in der Ludwigshafener Straße in Mannheim 54,9. Die Baiertaler Straße in Wiesloch, von der Epking gelesen hatte, hat eine NO2-Belastung von 63,4 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Also durchschnaufen am Neckar? Ganz so einfach ist es nicht. Ohne Zweifel liegt Edingen weit entfernt von den Grenzwerten. Gemessen wurde aber im Winter, das Ergebnis könnte also durchaus etwas höher sein. Zudem schreibt das Umweltbundesamt in einer Pressemeldung vom März dieses Jahres, dass nach zwei Studien "gesundheitsrelevante Wirkungen von NO2 ab einer langfristigen durchschnittlichen Exposition von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter kalkuliert werden müssen". Eine Aussage, die aufhorchen lässt. Allerdings muss dabei immer bedacht werden, dass der in Edingen gemessene Wert ausschließlich auf einer Kurzzeit-Messung von vier Wochen beruht.
Das weiß auch Saar von der DUH. Dennoch wurden alle Ergebnisse über 20 Mikrogramm an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Für Edingen war das das Regierungspräsidium in Karlsruhe. Saar: "Wir haben gesagt, es ist wichtig, dafür Sorge zu tragen, die Luft zu verbessern und gesundheitliche Risiken zu minimieren." Die DUH kämpft zudem dafür, den EU-Jahresmittelwert auf 20 Mikrogramm zu senken. Sollte das gelingen, würde die Situation in Edingen wieder ganz anders aussehen.
Derzeit aber sieht das Regierungspräsidium keinen Handlungsbedarf. "Da der ermittelte Vier-Wochen-Messwert deutlich sogar unterhalb von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegt, ist gerade auf dieser Grundlage das Vorliegen einer Grenzwertüberschreitung nicht zu befürchten." Zudem sei die Situation in Edingen zeitlich begrenzt: Es sei zu berücksichtigen, "dass für die Dauer der Baustelle an der Friedrichsfelder Autobahnbrücke der Durchgangsverkehr deutlich erhöht ist und dass nach Abschluss der dortigen Bauarbeiten das Verkehrsaufkommen sich wieder normalisieren wird".
Weniger Verkehr, das sagt auch Saar, sei letztlich der einzige Weg, NO2 in der Luft zu verringern. Vielleicht bringt am Ende nur die neue Neckarbrücke zwischen Neckarhausen und Ladenburg Edingen das erhoffte Durchatmen. Wenn das Großprojekt 2025 fertig ist, sollen 300 Autos weniger am Tag durch den Ortsteil fahren.
Darauf hofft auch Epking. Sein Vorstoß, sich bei der DUH-Aktion zu bewerben, sei ohne Hintergedanken gewesen. "Reines Interesse", nennt er es. Aber er hofft doch, dass damit ein bisschen Druck auf die Behörden ausgeübt werden kann. Würden weniger Autos durch die Hauptstraße fahren, wäre nicht nur die Luft sauberer. Dann wäre es auch ein bisschen leiser.