Ukraine-Krieg: Anonymous hackt Behörden, TV-Sender und verschickt SMS: So läuft der Kampf der Hacker gegen Russland
Mehr als 360.000 geheime Dokumente, direkt von der russischen Behörde Roskomnadzor erbeutet. Und das ist nur ein kleiner Teil der Maßnahmen, die das Hacker-Kollektiv Anonymous gegen Russland ins Feld führt. So sehr stören die Hacker die russischen Medien.
Das internationale Hacker-Kollektiv Anonymous hat wieder zugeschlagen: Von der russischen Regulierungs-, Aufsichts- und Zensurbehörde Roskomnadzor sollen 820 Gigabyte Daten stammen, welche die Hacker der Wikileaks-Alternative Distributed Denial of Secrets zugespielt haben. Die Plattform bietet den Datenfund in Gänze an. Darin enthalten sein sollen Daten aus der bevölkerungsreichsten russischen Republik Baschkortostan, beispielsweise E-Mails, Datenbanken des Personals und juristische Forschungsdokumente.
Interessenten warnt die Seite eindringlich, keine Daten aus dem Fundus ohne vorherige Prüfung zu öffnen. Insbesondere die Masse an E-Mail-Anhängen könnte gefährliche Software enthalten. Auch was die Angaben in enthaltenen Dokumenten betrifft, sei Vorsicht bei der Interpretation geboten, warnt die Plattform. Da es sich aus Daten aus einem im Krieg befindlichen Land handelt, könne mit manipulierten Informationen gerechnet werden.
Anonymous greift pausenlos an
Der Roskomnadzor-Hack ist nur ein Ergebnis zahlreicher Angriffe, die von internationalen, dezentral organisierten Hackern auf Russland verübt werden. Seit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine versucht Anonymous auf zahllosen Wegen, Russlands IT-Infrastruktur zu stören, Daten zu erbeuten und – vielleicht als wichtigsten Baustein – die russische Bevölkerung trotz zahlloser Sperren von freien Informationsquellen über den Kriegsverlauf in der Ukraine zu informieren.
Am 26. Februar meldeten die Hacker, das russische Fernsehen übernommen zu haben und auf den Sendefrequenzen russischer Staatssender Bilder aus der Ukraine einzuspielen. Auch den Kurzwellenrundfunk störten die Aktivisten bereits und immer wieder gehen russische Webseiten vom Netz, meist jene mit einer Verbindung zum Kreml.
Bisherige Hacks und Aktionen
Eine Übersicht einiger Ereignisse aus den vergangenen Wochen und Tagen zeigt, wie vielseitig das Kollektiv russische Internetseiten und Medien angreift oder für seine Zwecke nutzt. Darunter:
- Ein Dienst namens 1920.in wurde eingerichtet. Er erlaubt es, zufälligen russischen Mobilfunknummern eine Putin-kritische Nachricht per SMS zu schicken, ein entsprechender Whatsapp-Service ist in Arbeit.
- Die russischen Webseiten efondbiz.ru, julafree.ru und zabara-sergei.ru wurden übernommen
- Eine Datenbank des russischen Energiekonzerns Gazprom wurde entwendet und veröffentlicht
- Die Webseite der russischen Regierung gov.ru steht unter hoher Last und Daten vom Server wurden abgesaugt
- Der russische Stahlhersteller OMK wurde gehackt
- Zeitweise zeigte die Webseite der russischen Gefängnisbehörde Konterpropaganda
- Daten von Nutzern der russischen Suchmaschine Yandex wurden geleakt
- Die russischen Streaming-Dienste Wink und Ivi wurden gehackt
- Webseiten der Sberbank und der Moskauer Börse brechen ständig unter hoher Last zusammen
- Die Funkfrequenz russischer Bomber wurde gestört
Doch wohin soll das führen? Das Chaos-Computer-Club-Mitglied Manuel Atug erklärte dem stern, er halte "diese offensiven Aktionen und Leaks nur bedingt für hilfreich." Bereits in der vergangenen Woche sprach er sich gegen die Angriffe gegen Russland aus und sagte, man "könne Putin nicht einfach mal eben so wegcybern", sondern begebe sich bei den Cyber-Attacken gegen den russischen Staat unter Umständen sogar in Gefahr.
Russland sichert sich ab und schmeißt raus
Tatsächlich störten die Angriffe die Invasion der Ukraine bisher nicht merklich, auch wenn einige der Maßnahmen sich direkt gegen die russischen Militärverbände richten. Um sich den Störungen auf Seiten der Regierung zu entziehen, ordnete das Digitalministerium an, sämtliche Webseiten russischer Behörden binnen weniger Tage von Drittanbieter-Elementen zu befreien und die Seiten auf russische Server umzuziehen. Damit will man sich offenbar weniger angreifbar machen.
Als letzten Ausweg könnte sich Russland sogar komplett aus der internationalen Internetgemeinde zurückziehen – eine entsprechende Gesetzesvorlage existiert seit Jahren. Zum aktuellen Zeitpunkt begnügt sich der Kreml aber offenbar noch mit Sperrungen von westlichen Internetdiensten: Facebook, Youtube und Twitter sind bereits gesperrt, nachdem Facebook Gewaltaufrufe gegen Putin zuließ (hier lesen Sie mehr), stehen auch Instagram und Whatsapp in Russland vor dem Aus.
Quellen: DDoSecrets, Twitter [1], Twitter [2], Twitter [3], Twitter [4]