Technik-Museum Sinsheim: Verrucht und dreckig - das ist der Trend
Von Christiane Barth
Sinsheim. Der Sound, das Styling und das Design: Das hat es Wolfgang Assion aus Mannheim angetan. Sein Auto ist ein Hingucker beim US-Car-Treffen auf dem Gelände des Technik-Museums. Etwa 600 solcher Schlitten rollen am Wochenende auf den Parkplatz und stehlen der Concorde und Tupolew die Show. Seine 32 Jahre alte Corvette hat der 72-jährige in den 1980er-jahren aus den USA rüberschiffen lassen. 78.000 Mark hat er damals dafür bezahlt. Was sie jetzt wert ist? Vermutlich den gleichen Wert in Euro. Andy aus München hat 150 Euro in Sprit investiert, um nach Sinsheim zu kommen. Sein 69er Ford Mercury frisst 22 Liter auf 100 Kilometer. Doch das kümmert ihn nicht. Denn er liebt Oldies. Den Mercury hat er für 10.000 Euro erstanden. "Das ist mein Lebenstraum", sagt Andy. Und das viele Geld, das in dieses Hobby gesteckt werden muss? "Ach was, ich brauche kein Gourmet-Essen, keine teuren Klamotten." Aber ein Auto, das bereits in Hollywood-Produktionen und in der US-Serie "Akte X" zu sehen war, weckt seine Emotionen. Und die vieler anderer.
Die Ausstellung hat eine große Fangemeinde. Trotz morgendlichen Regens ist das Areal bereits gegen Mittag von Besuchern geflutet. Was man außer traumhaften Autos bewundern kann? Menschen, die nicht mit der Norm gehen, andere Outfits tragen, anders zurechtgemacht sind. Frauen, die daherkommen wie Marylin Monroe, Grace Kelly, Audrey Hepburn oder Elisabeth Tyler. Als wären die 1950er-Jahre der Staaten inmitten Sinsheims auferstanden. "Ich liebe das, mir fehlt nur das Auto", sagt eine Besucherin. Es sind also nicht nur die V8-Schlitten, die Cadillacs, Mustangs, Dodges, Pontiacs und Trans Ams, die die Atmosphäre an diesem Museums-Wochenende prägen. Es sind Menschen wie Michael Frank aus Lauffen mit seinem Pontiac "Firebird", der sich über den chromblitzenden Motor beugt und immer mal wieder nachpoliert.
Bereits zum neunten Mal geht das US-Car-Treffen nun über die Bühne. Die Veranstaltung geht auf die "Custom Car und Harley Show" zurück, ein Schaulaufen aufgemotzter, getunter Fahrzeuge und wuchtiger Harley Davidson-Maschinen. Der damalige Ausrichter wollte nicht mehr, was wiederum die Geburtsstunde des US-Car-Treffens unter der Regie des Technik-Museums bedeutete. Gerechnet hatte man bei der neunten Auflage nun mit 800 Fahrzeugen, doch das Wetter hielt einige zurück, sodass Holger Baschleben, stellvertretender Pressesprecher, mit 600 US-Schlitten kalkuliert. Wie viele Besucher es am Ende gewesen sein mögen, kann nur geschätzt werden: "Etwa 10.000 werden es wohl sein", meint Baschleben.
Stellplatzgebühr wird nicht verlangt: "Das ist in der Szene sehr verpönt." Denn bei den hohen Kosten, die für Sprit und die Instandhaltung des Autos investiert werden müssen, will niemand noch für Eintritt zahlen. Auch die Besucher kommen ohne Ticket aufs Gelände. "Alles ohne Geldfluss", sagt Baschleben. Finanziert werde das Treffen "durch die paar Würstchen, die wir verkaufen".
Zahlreiche Händler flankieren die Autoreihen. Was sie feilbieten, soll im Kontext zum Thema stehen, etwa Blechschilder, T-Shirts oder Autopolitur. Doch was ist mit dem Barbier und dem Tätowierer? "Typisch in der Szene, wie sie sich in den vergangen fünf Jahren herausgebildet hat, sind bunte T-Shirts, Hipster-Bärte, Hillbilly-Frisuren und Tattoos", erklärt Baschleben. Sehr beliebt seien überdies auch die "Rostkarren", wie beispielsweise der Dodge Monaco 500, der stellenweise aussieht wie ein Sieb. "Original, unbehandelt" nennt das der Besitzer liebevoll - freilich trägt er einen Hipster-Bart. "Alles ein bisschen verrucht und dreckig" beschreibt Baschleben den Trend. Mut also zum Ungeschönten macht diese Szene, die mitten im Wandel ist, auch aus. "Viele zeigen ihre Fahrzeuge auch gerne ungeputzt", sagt Baschleben.
Wenn die Heckflossen eines fast sechs Meter langen Cadillacs vorbeigleiten, werden Kameras und Handys gezückt. Die Faszination ist da. Als sich ein "Plymouth" zum Parken zurecht ruckelt, bildet sich sofort eine Menschentraube um die Seltenheit mit besonderer Motorleistung. Nebenan strotzt ein Chevrolet mit seltener Farbe. Nicht nur die Kenner der Szene kommen dabei auf ihre Kosten, auch die Besucher geraten ins Staunen.