Society-Betrügerin: Die "falsche Erbin" Anna Delvey über ihre Zeit im härtesten Gefängnis von New York
Anna Delvey ist die Hochstaplerin des Instagram-Zeitalters. Sie hat die New Yorker High Society jahrelang betrogen und landete im Gefängnis auf Rikers Island. Nun ist die Hochstaplerin draußen und hat große Pläne.
Anna Delvey geborene Sorokin ist die Society-Betrügerin des Instagram-Zeitalters. 2013 kam sie nach New York und eroberte eine Stadt, die betrogen werden wollte. Sie war eine geborene Manipulatorin, gesegnet mit einem stahlharten Willen nach oben zu kommen, der sich hinter einem Baby-Face verbarg. Ihr hatten die verwöhnten Reichen der Stadt nichts entgegenzusetzen.
Das Leben des Jetsets
Anna lebte das große Leben, sie verprasste 10.000ende, hatte Pläne für den Bau eines riesigen Kunstklubs und galt als deutsche Erbin eines riesigen Vermögens. Hinter vorgehaltener Hand, denn Anna selbst sprach nie über ihren Background. Sorokin erreichte alles mit der Kraft ihrer Persönlichkeit, die man stets unterschätze. Ihr Aussehen half ihr sicher nicht. Die pausbäckige Anna Sorokin sah weder wie eine Femme fatale noch wie ein It-Girl aus der Society aus. Ihre dünnen Haare wirkten, als würden sie täglich mit billigem Shampoo misshandelt. Ihre fleckige Haut glimmte nie im ewigen Glanz der Super-Rich.PAID STERN 2020_13 Lateinstunde 13.44
Am Ende stürzte sie ab, weil sie von ihrem Schneeballsystem aus geliehenem Geld und nicht bezahlten Rechnungen begraben wurde. Anna Delvey war eine geborene Betrügerin. Die City National-Bank konnte sie überreden, ihr etwas "Kleingeld" - 100.000 Dollar – für die täglichen Ausgaben zu leihen. Ihr Finanzberater bemühte sich um einen 22-Millionen-Dollar-Kredit für ihren geplanten Kunstklub. Sie betrog Freunde, Fünfsternehotels und Banken um 275.000 Dollar. Das ist die Summe, die gerichtsfest ist. Der wirkliche Schaden dürfte weit höher sein, da viele reiche Gläubiger sich die Demütigung vor Gericht ersparen wollten. Nach mehr als drei Jahren hinter Gittern wurde sie im letzten Monat freigelassen und sprach mit der "London Times" über ihre Zeit im Gefängnis.
Leben vom Netflix-Honorar
Heute residiert Anna Delvey erneut standesgemäß im Luxushotel NoMad – die Rechnungen gehen an ihren Anwalt, der sie mit dem Netflixgeld bezahlt, das sie für die Serie "Inventing Anna" erhalten hatte. Anwalt Todd Spodek hatte die Reporterin vor seiner Klientin gewarnt, Anna würde immer versuchen, Menschen zu manipulieren. "Leute wie Anna können einfach nicht anders."So erkennt Frau eine Affäre_11Uhr
Ihr Richter sagte über sie: "Sie war geblendet vom Glitzer und Glamour von New York City." Auch er hatte sich einwickeln lassen. Am Tag nach ihrer Verurteilung sagte sie: "Ich würde alle anderen und mich selbst anlügen, wenn ich sagen würde, dass mir etwas leid tut." Vor dem Bewährungsausschuss musste sie diese Aussage abmildern. Sorokin glaubt fest an die eigene Einzigartigkeit. "Ich habe nicht so viele Menschen getroffen, die mir ähneln. Meine Fähigkeit mit Stress umzugehen, ist ziemlich hoch. Leute, die ausflippen und ohne Grund dramatisch sind, nerven mich einfach."
Sie wusste, dass sie irgendwann auffliegen würden, um glatt durchzugehen, war ihr 22-Millionen-Dollar-Kunstprojekt zu groß. "Aber es hat mich so glücklich gemacht. Ich konnte nie einfach zu Hause sitzen und jemandes Freundin oder Ehefrau sein."
"Ich hätte nicht aufgehört. Sie haben mich ins Gefängnis gesteckt, aber das war die einzige Möglichkeit, mich zu stoppen."
So wie die Manhattan-Society zuvor war das Gefängnis eine Schule für sie: "Ich genieße das Gefühl der Kontrolle." Und zur Schmuggelware im Gefängnis: "Ich sah es als eine intellektuelle Herausforderung: wie ich die Dinge bekomme, die ich wollte, ohne etwas dafür zu geben." Das Gefängnis Rikers hat den Spitznamen Torture Island. Für sie war es eine Fingerübung. "Ich fand es interessant, wie das Personal bereit war, Dinge für mich zu tun, ohne eine Gegenleistung zu verlangen." Dazu wurde sie von ihren Fans mit Geschenken überhäuft.
Keinerlei Schuldgefühl
Ihre Karriere begann sie in Paris, als Praktikantin bei der Trendzeitschrift "Purple". Doch Paris war ihr zu müde. "In Paris ist einfach alles um sechs Uhr geschlossen." Sie wollte den 24-Stunden-Rummel von New York. Die Backstory als reiche Erbin weist sie weit von sich, das sei nicht ihre Idee gewesen. In New York könne man niemanden mit Geld beeindrucken. So etwas funktioniere in Eschweiler – das Kaff, aus dem sie kam. Sorokin sagt, ihr sei es nie um Geld gegangen. "Ich war machthungrig", gibt sie zu. Sie wollte berühmt werden, aber nicht wegen eines Sexskandals. "Ich wollte Aufmerksamkeit, aber für die richtige Sache."Cushioning19.15
Für kriminell hält sie sich bis heute nicht. "Ich habe nicht gedacht, dass alle so empört sein würden", sagt sie heute. "Ich habe verstanden, dass ich Abkürzungen nehme, aber in meinem Kopf habe ich nie etwas Kriminelles getan. Es war unorthodox, aber ich dachte nicht: 'Oh, ich werde wahrscheinlich ins Gefängnis kommen.'".
Tatsächlich raffte sie kein Geld zusammen, sie brachte es mit Turbo-Geschwindigkeit durch. Sie lieh sich Geld für reisen, Privatjets und große Empfänge – und dann war es eben weg. Gestolpert ist sie über eine Reise, für die sie später gar nicht belangt wurde. Sie überredete ihre Freundin Rachel DeLoache Williams zu einem "All-Expenses-Paid"-Urlaub in Marokko für 7000 Dollar pro Nacht. Mit Ausreden ließ Sorokin Williams dann mit der 62.000-Dollar-Rechnung zurück. Für die Bildredakteurin bei der Zeitschrift "Vanity Fair" eine enorme Summe, die sie nicht einfach wegstecken konnte. Doch vor Gericht blieb Williams auf den Kosten sitzen. Sie hatte Urlaub in dem Hotel gemacht und musste dafür bezahlen. Schuldgefühle kennt Sorokin nicht. "Wenn Rachel Williams das Gefühl hat, dass ich es ihr zurückzahlen muss, weiß sie, wie sie mich finden kann."
Bei ihren Opfern will sie sich nicht entschuldigen. "Zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass es eine gute Entscheidung war, und jetzt ist klar, dass es das nicht war. Ich muss mich jetzt einfach mit den Konsequenzen meines Handelns auseinandersetzen. Was soll ich denn sonst tun?"
Großes Ego, große Pläne
Kurz nach der Reise wurde sie zum ersten Mal verhaftet, wegen unbezahlter Rechnungen in Hotels und Restaurants. Rikers Island war auch für sie eine Erfahrung, dort wurde sie nur "Prinzessin" genannt. "Die Leute werden versuchen, dich zu testen, um zu sehen, wie dumm du bist und wie weit du gehen wirst. Du musst ein paar verrückte Dinge tun, um es ihnen zu zeigen, und dann wirst du nur noch von deinem Bekanntheitsgrad abhängig sein." Sorokin muss angeeckt sein, denn sie landete in Einzelhaft. Im Gefängnis habe sie mehr Drogen gesehen als in der Party-Szene, sagt sie heute. Der eigentliche Beruf von einigen Frauen sei es, von Gefängnis zu Gefängnis zu gehen und zu "boofen", so Sorokin, also Drogen in der Vagina zu schmuggeln.
Im Gefängnis habe sie gelernt, Menschen besser zu lesen. "Man lernt einfach, die Motive der Leute zu durchschauen." Dort habe sie eine Frau kennengelernt, die ihren Freund erstochen hat, nachdem er Nacktfotos von ihr ins Internet gestellt hatte. Eine andere hatte Männer angeheuert, um ihren Freund zu ermorden und ihn anzuzünden. Ein Mädchen hat eine alte Dame wegen 20 Dollar getötet. "Das Erschreckendste ist, dass sie völlig normal sind."
In der Zukunft will Sorokin Großes erreichen, mehr jedenfalls als nur einen weiteren Kunstklub in New York. Mit ihrem Ego und ihrem heutigen Fame-Kapital sieht sie nicht, was sie hindern könnte. "Bei allem, was ich vorhabe, wäre es dumm von mir, wenn mir das Geld ausgeht."
Quelle: The Sunday Times