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Октябрь
2021

Neoliberalismus | Entprivatisiert euch!

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Als Erstes müssen wir die Ideologie des schlanken Staates hinter uns lassen: Sie verhindert dringend nötige Investitionen, schwächt Institutionen und begünstigt Reiche

Im Lichte der Coronapandemie mit staatlich organisierten Test- und Impfangeboten sowie milliardenschweren Staatshilfen für Galeria Karstadt Kaufhof, Lufthansa und TUI mehren sich die Abgesänge auf das neoliberale Zeitalter. Von der Coronakrise als dem „letzten Sargnagel für den Neoliberalismus“ (Marcel Fratzscher) ist ebenso die Rede wie vom „Coronaschock, der den Neoliberalismus in eine letale Krise stürzen“ wird (Bert Rürup). Selbst Christian Lindner gab im Frühjahr 2020 im Deutschen Bundestag zu verstehen: „Jetzt ist die Stunde des Staates. Wir brauchen ihn bei allem, was über die Fähigkeit, individuell Verantwortung zu übernehmen, hinausgeht.“ Es drängt sich angesichts der zahlreichen unerwarteten „Staatsbekenntnisse“ die Frage auf, ob nun eine Rückkehr des Staates und damit der öffentlichen Daseinsvorsorge bevorsteht. Gründe gäbe es genug.

Preise für den öffentlichen Personennahverkehr steigen selbst dort, wo Bus- und Bahnfahrpläne ausgedünnt oder Haltestellen aufgegeben werden. Mehr als 1.000 kommunale Badeanstalten wurden in den vergangenen zehn Jahren geschlossen, obwohl sich finanzschwache Familien den Besuch privat betriebener „Spaßbäder“ vielfach nicht mehr leisten können. Die Schließung von Postfilialen, die Ausdünnung der Zustellungsintervalle und die regelmäßige Anhebung des Briefportos bemängeln selbst Politikerinnen und Politiker, die sonst auf den Markt als Allheilmittel für wirtschaftliche Prosperität und gesellschaftlichen Fortschritt setzen.

Seit der Privatisierung der Altersvorsorge à la Riester und Rürup grassiert selbst in der Mittelschicht die Sorge, dass man seinen Lebensstandard im Ruhestand nicht wird aufrechterhalten können. Die Privatisierung des Mauterhebungsunternehmens Toll Collect, deren Scheitern den Bund knapp eine Milliarde Euro kosten dürfte, dokumentiert die mit zahlreichen Privatisierungen verbundenen volkswirtschaftlichen Flurschäden ebenso wie die unter dem Dach der Tank & Rast GmbH gebündelten Autobahnraststätten. Während Sanifair – und damit unter anderem der Staatsfonds von Abu Dhabi – mit unseren Toilettenbesuchen Millionen erwirtschaftet, fährt der Bund durch den Bau und die Erhaltung der Park- und Rastplätze entlang der Autobahnen jährlich millionenschwere Verluste ein.

Darf man trotz dieser seit Jahren offenkundigen Kehrseiten der Privatisierungspolitik glauben, dass sich nun breiter öffentlicher Unmut regen wird, weil wir in der Coronapandemie gelernt haben, was es heißt, wenn an die Stelle einer an den Patientenbedürfnissen orientierten Gesundheitsversorgung eine an betriebswirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Gesundheitsökonomie tritt? Wohl kaum.

Die Grünen schwanken

Eher wird der zu Beginn der Coronapandemie grassierende Mangel an Atemschutzmasken, Desinfektionsmitteln und Beatmungsgeräten wohl bald dem kollektiven Gedächtnis entweichen. „Verschwendung“ und „Ausgabenwut“ von Bund, Ländern und Kommunen hingegen wird uns nicht nur der Bund der Steuerzahler weiterhin in regelmäßigen Abständen in Erinnerung rufen. Schon bald wird die pandemiebedingt massiv gestiegene Staatsschuldenquote wieder mit der nur zeitweilig ausgesetzten Schuldenbremse kollidieren – und das Privatisierungspostulat mit seinen verlockenden Einmalerlösen in den Mittelpunkt der finanzpolitischen Überlegungen zurückkehren.

Es steht also zu befürchten, dass die privatisierungspolitische Kehrtwende auch nach der Bildung der nächsten Bundesregierung ausbleiben wird. Nach wie vor findet sich auf der Website des noch von Olaf Scholz (SPD) geführten Bundesfinanzministeriums ein klares Bekenntnis zum „schlanken“ Staat: „Durch Privatisierung gewinnen Staat und Unternehmen Handlungsfreiheiten: Der Bund setzt Reformpotenziale frei und die Unternehmen steigern ihre Effizienz.“

Dass die im Bundestagswahlkampf erneut auf Steuersenkungen pochende Union mit dem neoliberalen Zeitgeist brechen wird, ist ebenso ausgeschlossen wie eine Abkehr von der inzwischen grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz. Selbst die Haltung der Bündnisgrünen ist ambivalent. Zwar findet sich auch in ihrem Bundestagswahlprogramm ein eindeutiges Bekenntnis zur öffentlichen Daseinsvorsorge, aber öffentlich-private Partnerschaften werden ebenso wenig kategorisch ausgeschlossen wie der Status der Deutschen Bahn als Aktiengesellschaft. Und zur Erinnerung: Keine Bundesregierung hat mehr Privatisierungen umgesetzt als das von Gerhard Schröder und Joschka Fischer geführte rot-grüne „Reformbündnis“ auf seinem „Dritten Weg“.

Ohne ein erschöpfendes Lobbyregister wird die Programmatik staatlicher Selbstentmachtung weiterhin auf fruchtbaren Boden fallen. Nach wie vor umgarnen unzählige Lobbyorganisationen Politikerinnen und Politiker auf pompösen Empfängen, mit detaillierten Stellungnahmen und im direkten Vier-Augen-Gespräch, um ihren Unternehmens- und Brancheninteressen Nachdruck zu verleihen. Allein die Ministerien für Verteidigung, Inneres und Verkehr verausgabten 2019 knapp 418 Millionen Euro für externe Beraterinnen und Berater. Immer stärker erhalten privatwirtschaftliche Interessen auch durch „janusköpfige“ Abgeordnete Einzug in die Plenarsäle. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker gehen schon als Mandatsträgerinnen und -träger zeitintensiven „Nebentätigkeiten“ in der Wirtschaft nach oder werden spätestens nach ihrem Mandat durch die lobbyistische Drehtür auf lukrative Posten in der Privatwirtschaft befördert.

Wenn sich ehemalige SPD-Parteivorsitzende wie Sigmar Gabriel in den Dienst der Deutschen Bank stellen oder langjährige EU-Kommissare wie Günther Oettinger (CDU) ohne „Abkühlzeit“ bei einem Dutzend privater Arbeitgeber wie der Unternehmensberatung Deloitte und der Fondsgesellschaft Amundi anheuern, gefährdet dies nicht nur demokratische Prinzipien. Es leistet stets auch dem Ausverkauf des Staates Vorschub – zumal der moderne Lobbyismus gerade in „privatisierungsanfälligen“ Bereichen verborgene Wege der Einflussnahme kennt.

Dazu zählt, dass Ministerien die Formulierung von Gesetzestexten an Anwaltskanzleien wie Allen & Overy, Freshfields Bruckhaus Deringer und Gleiss Lutz auslagern. Tag und Nacht widmen sich Unternehmens- und Steuerberatungen wie McKinsey & Company, Roland Berger Strategy Consultants, Bain & Company, PWC, Ernst & Young, KPMG und Boston Consulting Group der Frage, wie öffentliches Eigentum zugunsten privater Kapitalgeber liquidiert werden kann. Die Platzierung von Leihbeamten und -beamtinnen in Ministerien ist als Form des „Deep Lobbying“ längst etabliert.

Dennoch bleibt abzuwarten, ob die nächste Bundesregierung nach der Überwindung der Coronakrise zur Politik des „schlanken“ Staates zurückkehrt und den Privatisierungskurs fortsetzt. Jedenfalls würde sich eine Intensivierung der Debatte lohnen, die zuletzt von Mariana Mazzucato unter dem Stichwort „Re-imagining public value“ angestoßen wurde. Die italo-amerikanische Ökonomin hat anhand der Entstehungsgeschichte bedeutender technischer Innovationen wie dem Navigationssatellitensystem GPS, dem Internet und Mikroprozessoren eindrucksvoll aufgezeigt, dass staatliches Kapital für die Entwicklung vieler technologischer Neuerungen unverzichtbar war und ist.

Kommunen entschulden

Vielleicht gelangt die künftige Bundesregierung auch zu der Einsicht, dass ein Steuersystem, das Arbeit diskriminiert und Kapital privilegiert, nicht nur die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft, sondern auch den Privatisierungsdruck erhöht. Dazu müsste nur ein ehernes ökonomisches Gesetz verstanden werden: Hohe Einkommen zeichnen sich durch eine höhere Sparquote aus als niedrige Einkommen. Diejenigen, die hohe Einkünfte beziehen, suchen gerade bei niedrigen Kapitalmarktzinsen wie derzeit nach rentablen Anlagemöglichkeiten und drängen auf die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur – bevorzugt mittels öffentlich-privater Partnerschaften.

Sollte die gravierende Störung der Wirtschaftskreisläufe im Zuge der Coronakrise doch die Rückkehr zur blinden Marktgläubigkeit versperren, finden sich wertvolle Hinweise in dem „Wahlprogramm“, das die Initiatoren der Freiburger Diskurse vorgelegt haben. Dort heißt es unter anderem: „Wenn wir überall in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen wollen (wie es das Grundgesetz vorsieht), muss die Finanzierung der Kommunen neu geregelt werden. Kommunen mit hohen Schulden sind selten Opfer ausgabewütiger Lokalpolitiker, sondern eher fehlender Struktur- und Regionalpolitik des Bundes. Und allzu oft drücken Bund und Länder den Gemeinden Aufgaben aufs Auge, ohne den Scheck mitzugeben.“

Deshalb: Statt die öffentliche Daseinsvorsorge weiterhin auf dem Altar des Marktes zu opfern, sollten wir uns vergegenwärtigen, dass sich die Stärke einer Gesellschaft am Wohl der Schwachen bemisst. Das Wohl der Schwachen kann aber nur dann bewahrt und befördert werden, wenn (über-)lebenswichtige Güter und Dienstleistungen allen Menschen unabhängig von ihrer Kaufkraft zur Verfügung stehen.

Tim Engartners Buch Staat im Ausverkauf. Privatisierung in Deutschland ist soeben in zweiter Auflage im Campus Verlag erschienen

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