Weinheim: Just fällte hartes Urteil über Impfgegner
Von Philipp Weber
Weinheim. Oberbürgermeister Manuel Just sieht Weinheim vor einem "Jahr der Weichenstellungen". So formulierte es der Verwaltungschef in seiner am Sonntag veröffentlichten Neujahrsansprache. Bei dieser Gelegenheit kritisierte er das Verhalten von Coronaleugnern und Impfgegnern hart und warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft. Er appellierte an die Weinheimer, sich in den Prozess der Zukunftswerkstatt einzubringen. "Die Bürger sind selbst die besten Experten für ihr Lebensumfeld."
> Just über die Pandemie und die Helfer: Der OB räumte offen ein, dass er vor einem Jahr nicht gedacht hätte, Veranstaltungen wie den traditionellen Neujahrsempfang erneut virtuell ausrichten zu müssen. Er dankte den Menschen, "die für andere da waren und da sind. Wir haben zahlreiche Menschen in der Stadt, die insbesondere in den letzten Monaten in ihren Berufen, als Unternehmer oder im Ehrenamt geholfen haben". Ihnen sei es zu verdanken, dass Not gelindert und der Zusammenhalt bewahrt wurde.
> Just über die Impfgegner: Er finde es "beschämend, dass das Privileg des Impfschutzes im Moment noch von zu wenigen Personen geschätzt und final genutzt wird", so der OB. Angesichts der bis heute nur einstelligen Impfquoten in ärmeren Ländern komme ihm die Haltung mancher Impfgegner im eigenen Land "geradezu zynisch" vor. Dennoch habe er kein Problem mit anderen Meinungen, betonte er. Er kritisierte jedoch die derzeit zu beobachtenden Formen des Protests, weil er darin Staatsfeindlichkeit und eine drohende Spaltung der Gesellschaft erkenne. Es sei absurd, "dass jene Personen unsere Demokratie infrage stellen, die gerade am meisten von der Offenheit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und des Rechtsstaats profitieren". Das berühmte Zitat von Rosa Luxemburg – "Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo die Freiheit von vielen tangiert wird" – könne man hier pointierter interpretieren: "Wenn die Freiheit des Einzelnen die Freiheit von vielen einschränkt, wird sie zu Egoismus."
Die Politik müsse nicht nur die Frage beantworten, "wie wir die Demokratie und die mit ihr einhergehende Grundordnung schützen, da diese ein gesellschaftliches Miteinander sichert; sondern wir benötigen auf der Wegstrecke dahin wieder eine wertschätzende Debattenkultur, bei welcher Minderheiten Mehrheiten akzeptieren".
> Just über die Wendepunkte in Politik und Gesellschaft: Ein "Weiter so!" reiche in vielen Fragestellungen nicht aus, wie das Beispiel Klima- und Umweltschutz zeige, sagte Just. "Müssen wir auf der Ebene der Kommunen nicht noch mehr zur Energiewende beisteuern?", fragte er sich, um dann zu fordern: "Wir alle müssen hier noch problembewusster und lösungsorientierter werden." Bei den anstehenden Debatten zur Nutzung von Geothermie wünsche er sich Ergebnisoffenheit. Angesichts von Themen wie dem Klimawandel und der Pandemiebekämpfung rief er sogar dazu auf, den individuellen Freiheitsdrang aus den letzten Jahrzehnten ein Stück weit zu überdenken. Grundsätzlich blickte er dennoch positiv auf 2021 zurück: "Trotz der Pandemie ist nahezu nichts, was von großer Bedeutung wäre, liegen geblieben", lobte er Verwaltung und Gremien.
> Just über Schulen, Bau-, Sanierungs- und Gewerbegebiete: Es warte ein Berg weiterer Aufgaben und Entscheidungen, so Just: So werde man nach der Zweiburgenschule im Frühjahr die Heidi-Mohr-Sporthalle einweihen. Dazu würden Vorbereitungen zur Sanierung der Sporthalle an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule starten – ein Fünf-Millionen-Euro-Projekt, erklärte er. In allen Weinheimer Schulen werde 2022 die digitale Aufrüstung geschafft sein, das Heisenberg-Gymnasium sei die letzte Baustelle des Mammutprojekts. Darüber hinaus werde 2022 das Jahr sein, in dem ein weiterer großer Abschnitt der Kanalsanierung in der Müllheimer Talstraße endet.
Der OB verwies auf die "Fortschritte" beim sozialen Wohnungsbau: Noch vor dem Sommer werde die Sanierung der kommunalen Mietshäuser in der Mannheimer Straße abgeschlossen. Ein Bekenntnis für die Schaffung von sozialem Wohnraum lege man auch in den Allmendäckern und im Westen des Hauptbahnhofs ab. Just verteidigte das zuletzt vom Gewerbeverein kritisierte Prozedere bei der Grundstücksvergabe im Gewerbegebiet Nord. Das Ziel, die Balance zwischen Gewerbeentwicklung und Flächenverbrauch zu finden, rechtfertige die Vergabekriterien: "Weinheim ist eine unternehmerfreundliche Stadt, aber auch eine Kommune, die verantwortungsvoll mit natürlichen Ressourcen umgeht."
> Just über das Hohensachsener Hallenbad: Das erste politische Projekt von gesteigerter Bedeutung im neuen Jahr ist die Sanierung des Hallenbads in Hohensachsen. Für ihn sei es ein sinnvolles, wenn auch schwieriges Projekt, das Gesundheit – und durch Vermittlung von Schwimmfertigkeiten sogar Leben – erhält und den Menschen einen Identifikationspunkt in ihrem Ortsteil gebe.
> Just über Investitionen und Fördermaßnahmen der Stadt: Die "gewaltige Zahl von 20 Millionen Euro", die er bei seiner Haushaltseinbringung als Investition für den Neubau von Kindergärten und Krippen in den nächsten Jahren genannt hatte, veranschauliche den Bedarf im Bereich der Kinderbetreuung mehr als deutlich, erläuterte Just. Für Einzelhandel und Gastronomie müsse die kommunale Unterstützung und Förderung noch stärker ausfallen. "In diesem Bereich merken wir stärker als befürchtet, dass die Warnungen vor den Coronafolgen keine Floskeln waren."
Dass die Stadt bereit sei, die Wirtschaft zu fördern, verdeutlichte er am Beispiel Tourismus. Er nannte den Ingrid-Noll-Weg ebenso wie den geplanten Grüffelo-Pfad. Man werde 2022 mit einem Wohnmobil-Platz im Birkenauer Tal weiterkommen, das Deutsche Jugendherbergswerk und das Pilgerhaus arbeiteten bereits an Plänen für die erste inklusive Jugendherberge Süddeutschlands. Und selbst für ein Hotel an der Mannheimer Straße sehe er "mittelfristig alles andere als schwarz".
> Just über die Hoffnungen für 2022: Er hoffe, "dass wir in dem vor uns liegenden Jahr wieder mehr zur Normalität zurückkehren können". Denn: "Ich mag mir diesen Sommer kein drittes Mal ohne unsere Kerwe vorstellen, kein drittes Jahr ohne einen Sommertagszug im März und kein drittes Mal ohne Weihnachtsmarkt", sagte der Oberbürgermeister.