Tiroler Tageszeitung, Analyse, Ausgabe vom 12. Jänner 2022. Von KARIN LEITNER. "Doskozil oder das rote Gesetz der Serie".
Jahrelang war es faktisch Gesetz in der ÖVP: Lief es gut für die Bundespartei, konterkarierte ein Landeshauptmann deren Linie. Die SPÖ hat dieses Misserfogsrezept übernommen. Seit Monaten das Gleiche: Kaum legen die Sozialdemokraten in Umfragen zu, überflügeln gar die Türkisen, kommt Hans Peter Doskozil – und verwahrt sich öffentlich gegen das, was von den Oberen in Wien vorgegeben ist. Jüngste Beispiele: Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner wartet ab, ob Alexander Van der Bellen erneut für das höchste Amt im Staat kandidiert – und signalisiert, ihn zu unterstützen, falls er das tut. Der burgenländische Polit-Befehlshaber Doskozil drängt darauf, einen roten Kandidaten zu nominieren. Causa Corona-Impfpflicht: Rendi-Wagner ist dafür, Doskozil will sie „überdenken“. Es ist mittlerweile notorisch: Was auch immer von der Bundespartei kommt, Doskozil ist dagegen. Nun heißt es, burgenländische Funktionäre wollten, das sich die Landespartei nach dem Vorbild der bayerischen CSU von der Bundes-SPÖ löst. Landesgeschäftsführer Roland Fürst bestreitet dieses Ansinnen zwar, spricht aber von „extrem verärgerten“ Parteimitgliedern, die „die Bundesparteivorsitzende nicht mehr unterstützen“ wollten. Was motiviert Doskozil und die Seinen zu derartigem Verhalten zum Schaden seiner Gesinnungsgemeinschaft? Motivforschung der TT in Ländern hat ergeben: Ratlosigkeit. Der Landeshauptmannposten sei ein kommoder, nicht nur Doskozils Stimmprobleme stünden einer Funktion im Bund zuwider. Das Gros der Deutungen: „typisch männliche“ Profilierungssucht, die via Boulevardmedien wie Krone und der Gratiszeitung Heute ausgelebt werde. Factum est: Zerwürfnisse, die nach außen getragen werden, waren nie Animo, eine Partei zu wählen. In Zeiten von Unsicherheit, Sorgen, Ängsten ist es das erst recht nicht. Eine gespaltene Truppe trägt nicht dazu bei, die Spaltung der Gesellschaft hintanzuhalten. Sie nützt nicht Bürgern, die inhaltliche Klarheit wollen. Freude darob hat nur die politische Konkurrenz.