Länder fordern Lauterbach auf, Verordnung zur Regelung des Genesenenstatus rückgängig zu machen
Der Streit um die Verkürzung des Genesenenstatus geht in die nächste Runde: Während der Gesundheitsministerkonferenz haben die Gesundheitsminister der Länder Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu aufgefordert, die umstrittene neue Verordnung zu den Impfregeln und der Verkürzung des Genesenenstatus rückgängig zu machen.
Am Montag stimmten die Minister mit 15:1 Stimmen bei einer Enthaltung dafür, dass künftig wieder die Bundesregierung in Absprache mit dem Parlament und nicht das Robert Koch-Institut (RKI) über den Impf- und Genesenenstatus der Bürger entscheiden soll. Der Verordnungsgeber müsse wesentliche Festlegungen, die für eine große Zahl von Bürgern weitreichende Auswirkungen haben, selbst treffen, so die Begründung. Nach der neuen Verordnung entscheidet nicht mehr die Regierung, sondern Stellen wie das RKI und das Paul-Ehrlich-Institut darüber, wer wie lange als genesen gilt.
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kam bereits zu dem gleichen Ergebnis und weckte Zweifel, ob der Vorgang "verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt", denn die Frage, wer wie lange als geimpft oder genesen gilt, sei "von hoher Relevanz für die Wahrnehmung von Grundrechten". Der wissenschaftliche Dienst sieht es demnach kritisch, dass "die Bundesregierung [...] wesentliche Aspekte der Regelung zum Genesenennachweis nicht mehr selbst regelt, sondern dies einer weiteren Stelle, nämlich dem RKI, überlässt".
Das Land Bayern schlug zudem vor, den Genesenenstatus wieder auf die vorherigen sechs Monate festzulegen, da die Verkürzung "massive Auswirkungen für die betroffenen Personen und enorme Verunsicherung und Verärgerung bei den Bürgern hervorgerufen habe". Der Vorstoß erhielt allerdings keine Mehrheit, neben Bayern stimmten nur Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Schleswig-Holstein zu.
Obwohl der Druck auf Lauterbach auch durch die Gesundheitsministerkonferenz wächst, waren bisher keine eindeutigen Aussagen vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums zu bekommen. Ein Sprecher teilte der Welt zunächst schriftlich mit, dass man den Beschluss der Konferenz "natürlich ernst nehme", doch die Verordnung hätten die Bundesländer beschlossen. Lauterbach sei aber "natürlich" bereit, einzelne Festsetzungen wie den Genesenenstatus per Verordnung zu regeln.
Aus der Opposition wird unterdessen erneut Kritik an Lauterbachs Vorstoß laut, da aus seinem Ministerium keine verlässlichen Aussagen kamen. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestags-Unionsfraktion, sagte:
"Das war ein klares Misstrauensvotum der Länder gegen Karl Lauterbach. […] Die Länder scheinen sich momentan nicht mehr auf den Bundesgesundheitsminister verlassen zu wollen. Der Minister steht jetzt in der Pflicht, für nachvollziehbare Regeln zu sorgen und Vertrauen wiederherzustellen."
Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte der Welt, er gehe davon aus, dass sich Bundestag und Bundesrat zeitnah mit der Angelegenheit auseinandersetzen werden. Der Forderung der Gesundheitsminister lasse sich "wenig entgegensetzen":
"Die jetzige Verordnung dürfte einer gerichtlichen Überprüfung schwer standhalten."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte gegenüber der dpa, er strebe schnelle Beratungen mit SPD und Grünen an:
"Ich finde, die Gesundheitsminister in Bund und Ländern haben recht: Über den Genesenenstatus sollte wieder im Parlament entschieden werden. Nach zwei Jahren Pandemie dürfen wir uns keine rechtlich fragwürdigen Freiheitseingriffe mehr erlauben."
In der Zwischenzeit beschäftigt sich die Justiz mit Lauterbachs Vorgehen. Beim zuständigen Verwaltungsgericht Berlin sind aktuell zwölf Eilverfahren zur Verkürzung des Genesenenstatus abhängig, weitere Verfahren laufen zum Verlust des Impfstatus von Personen, die sich mit dem Vakzin von Johnson & Johnson impfen ließen. Entscheidungen werden in der nächsten Woche erwartet.
Mehr zum Thema - Bürger wehren sich mit Klagen gegen Verkürzung des Genesenenstatus