Archäologie: Britische Forscher wollen versunkene Stadt unter Wasser wiederentdecken
Am Boden des Humber im Osten Englands soll sich eine versunkene Stadt befinden: Im Mittelalter riss eine gigantische Sturmflut sie mit unter Wasser. Forscher wollen die Überreste nun wiederfinden.
Ein Team britischer Wissenschaftler:innen hat sich auf die Suche nach einer verschollenen Stadt gemacht – und zeigt sich zuversichtlich, ihren einstigen Standort gefunden zu haben. Sie wollen nun die Überreste von Ravenser Odd finden und von Schlick und Sand befreien, um die Geschichte der mittelalterlichen Handelsmetropole zu erforschen. Ravenser Odd lag am Ufer des Humber, dort, wo die Flüsse Trent und Ouse in die Nordsee münden. "Es gab dort zwei Marktplätze, es gab Lagerhäuser, eine große Flotte von Fischerbooten. Es konnte mindestens mit den nahegelegenen Städten Grimsby und Hull konkurrieren", sagt der Autor Phil Mathison, der ein Buch über die versunkene Stadt geschrieben hat.
Doch Ravenser Odd, das direkt an der Küste des Humber lag, fiel einer Katastrophe zum Opfer, die auch in Deutschland seinerzeit schwerwiegende Folgen hatte: 1362 wurde die Nordsee zu einem allesverschlingenden Monster und riss die Stadt, die zuvor schon mehrere Jahre mit zunehmender Erosion zu kämpfen gehabt hatte, unter Wasser. "The Second Great Drowning" heißt die Sturmflut im britischen Volksmund, in Deutschland ist sie als "Grote Mandrenke", das große Menschen-Ertrinken, bekannt. Sie wird auch für den Untergang der deutschen Nordsee-Stadt Rungholt verantwortlich gemacht.
Unter-Wasser-Dünen könnten Standort verraten
Wenn die Wissenschaftler:innen richtig liegen, könnten sie unter dem Schlamm am Boden des Humber also zahlreiche Artefakte finden, die seit 1362 niemand mehr gesehen oder berührt hat. Daraus ließe sich wertvolles Wissen über das Alltagsleben im Mittelalter ziehen – vor allem, da organische Stoffe wie Holz sich unter Wasser erstaunlich gut erhalten. Das Team um Professor Dan Parsons von der Universität in Hull sucht derzeit mit einem Sonargerät den Grund des Humber ab, und hat bereits ein vielversprechendes Gebiet eingrenzen können. "Die Untersuchungen, die wir bisher gemacht haben, zeigten zahlreiche Sanddünen unter Wasser, einige mehrere Meter hoch", sagt der Wissenschaftler. "Die Siedlung wird mit Sand und Schlamm aus Hunderten von Jahren bedeckt sein, und die verdecken die Fundmente, nach denen wir suchen."
Die Forscher:innen werden derzeit aber immer wieder von schlechten Wetteverhältnissen ausgebremst. "Wir sind uns sehr sicher, dass da etwas ist und wir nur mit dem Sonar zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein müssen", sagte Parsons der BBC. Und der Fund von Ravenser Odd würde nicht nur Archäologen glücklich machen, sondern womöglich auch Klimaforschern helfen: "Wo wir gerade unsicheren Zeiten entgegenblicken, durch den Klimawandel und die vorhergesagten massiven Veränderungen der Küsten in den kommenden 100 Jahren, wäre es sicher enorm wichtig, aus diesen Geschichten der Vergangenheit zu lernen."
Quelle: BBC