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Апрель
2023

Interview | Regisseurin Emily Atef: „Wir wollen eben auch nackte Männer sehen“

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Emily Atefs „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ erzählt von einer Amour Fou in der ostdeutschen Provinz. Ein Gespräch über Unterschiede zwischen französischem und deutschem Kino, weibliche Emanzipation und Atefs Definition von Heimat
Regisseurin Emily Atef: „Wir wollen eben auch nackte Männer sehen“

Emily Atef erscheint in einem Hotel in Berlin, weiße Bluse, silberne Kette, Chanel-Tasche, cool, schick: Es ist Berlinale, als wir uns treffen. Riesenraum, Minitisch, wie beim Verhör. Emily Atef sprudelt los, redet sehr offen und warmherzig von ihrer Arbeit und ihrem Leben. Atefs Verfilmung von Daniela Kriens Roman Irgendwann werden wir uns alles erzählen (2011) läuft jetzt im Kino.

der Freitag: Frau Atef, Ihr Film handelt von einer Amour fou. Maria, eine 19-Jährige, und ein älterer Mann begegnen sich in einem thüringischen Dorf. Was gefiel Ihnen daran?

Emily Atef: Eine Freundin hatte mir das Buch geschenkt, und ich habe es mit so viel Genuss und Freude gelesen, ich konnte es gar nicht loslassen. Und ich habe einfach einen Film gesehen: Daniela Kriens Sprache, ihre Dialoge, die Beschreibungen der Landschaft, der Menschen, sind so minimalistisch. Nichts ist verschönt. Es ist karg und poetisch zugleich. Ich sagte ihr, ich liebe diese Welt, die sie da beschreibt.

Die Geschichte spielt im Jahr 1990, Landwirtschaftsbetriebe werden über Nacht entwertet, die Familie auf einem Hof kämpft um ihre Existenz, jeder hat mit sich zu tun. Ein guter Rahmen für eine extreme Liebe?

Da entsteht so eine anarchische Welt, ein gewisser Freiraum. Die alte Welt geht unter, die neue ist noch nicht da. Auf dem Dorf geht sowieso alles langsamer. Und man ahnt es schon: In der Familie, in der Maria lebt, gibt es Gewinner und Verlierer. Es gibt die junge, neue Generation, die zieht es in die Stadt. Johannes, der Freund von Maria, will Kunst studieren. Und Henner, der 40 Jahre alte Bauer, der wird es nicht schaffen, der wird verlieren.

Maria versinkt in ihrer eigenen, inneren Welt, liest wie besessen Dostojewski, statt zur Schule zu gehen.

Maria wurde nicht gesehen. Sie hat keinen Vater. Sie hat eine Mutter, die nicht wirklich Mutter war. Sie war fast Mutter für ihre Mutter. Und sie ist mit Johannes zusammen, bei dieser netten Ersatzfamilie, den Brendels, die sie aber auch nicht sehen.

Besser dort, als bei der Depri-Mutter zu sein.

Ja, und für Johannes ist es praktisch, dass sie da ist, aber wenn nicht, auch okay. Er hat seine Liebe gefunden: die Fotografie. Und dann trifft sie auf diesen Mann. Henner, den Bauern vom Nachbarhof. Er kümmert sich um die Pferde. Und er macht etwas, das sie nicht erwartet. Er berührt sie. Und dann geht etwas auf, erst in ihrem Unterleib, dann in ihrem ganzen Körper. Sie ist angezogen und muss hin. Sie geht ihm nach.

Ein Wagnis? Sie folgt ihrem Trieb.

Es ist das Archaische, Tierische. Diese Beziehung ist echt, und man hat nicht das Gefühl: Jemand ist Opfer und jemand zu dominant.

Sie lässt sich komplett fallen. Was war es genau, das Sie an diesem Stoff interessiert hat?

Das passiert uns doch allen mal in unserer Laufbahn! Wir kennen alle Frauen, die vielleicht falsche Entscheidungen treffen, vom Falschen angezogen sind. Aber für sie ist er nicht der Falsche. Maria weiß, er ist dunkel, seine Hunde haben einen Leib zerrissen. Der Typ ist schräg. Frauenheld. Trinker. Aber sie will da hin. Sie weiß, sie kann sich verbrennen. Sie entscheidet sich.

Wir Zuschauer denken: Wird er es schaffen, wird er genesen mit ihr oder nicht? Henner ist so kaputt nach allem, was er schon erlebt hat.

Und er hat recht, wenn er sagt: „Du bist 19. Du wirst irgendwann abhauen.“ Sie würde bestimmt gehen, ja.

Wie haben Sie sich dieser Zeit, Anfang der 1990er in Thüringen, denn angenähert?

Ich bin ja keine Deutsche, ich sehe es ein bisschen von außen. Aber ich bin in Westberlin geboren, habe dort sieben Jahre lang gelebt, bis wir ausgewandert sind. Und dann bin ich 2001 wieder nach Deutschland gekommen, ging zur Filmhochschule und hatte viele Freunde aus dem Osten. Ich wollte ihre Geschichten hören. Und die Leute waren sehr offen. Ich merkte, dass da vieles schiefgegangen ist und dass es Bitterkeit gibt.

Einige Schauspieler aus dem Film, wie Jördis Triebel, Felix Kramer, Christine Schorn oder Axel Werner, kommen aus dem Osten und haben diese Zeit miterlebt.

Ja, sie haben mir davon erzählt. Und ich wollte diese Brendels im Film nicht wieder als so eine ostdeutsche, traurige, graue Familie zeigen: Denn das stimmt einfach nicht. Die Marianne kommt mir wie eine Italienerin vor mit ihren Blusen und Röcken. Sie ist so fröhlich, und sie liebt das Leben. Sie und ihr Mann hauen ab in den Stall, schlafen miteinander, kommen dann ganz schnell wieder raus, sie mit ganz viel Stroh am Rock. Sie arbeiten hart, sie essen gut, sie reden und streiten laut. Sie ist eine selbstbewusste Frau, diese Marianne. Und diese Emanzipation im Osten hat mich schon immer begeistert.

„Na, kleiner Ausflug gefällig?“, sagt Henner zu Maria, sie fahren in den Westen, wo er nicht weiß, welchen Kaffee er bestellen soll oder welche Biersorte. Er wirkt hilflos in der neuen Umgebung.

Ja. Und er sieht, wie verwundert sie ist, lässt ihr immer die Möglichkeit, abzuhauen. Aber sie will sich hineinbegeben in diese Beziehung, dieses primitive, tierische Zusammenkommen. Sie nimmt ihn, wie er ist. Sie haben die Literatur. Er liest ihr Trakl-Gedichte vor. Er ist sehr zart und sehr hart. Und sie fangen an, sich zu verlieben. Aber weil er einen Selbsthass hat, einen Zweifel in sich, denkt er: Wie kann mich jemand lieben?

Maria wollte das erleben, was sie bei Dostojewski liest. Das kann man nachvollziehen.

Sie ist schon sehr sexuell. Man merkt auch mit Johannes, wie sehr sie das Körperliche liebt, wie sie ihn umdreht, beißt, wie aktiv sie ist – und er ist passiv. Es ist ein Teil von ihr. Da hinzugehen mit ihr, auch wenn man als Zuschauer denkt: Geh nicht hin! Aber sie muss! Das finde ich faszinierend. Wie weit würdest du gehen? Was findest du da bei ihm?

Dieses Austesten von Grenzen in diesem Alter – ein ewiges Thema.

Und sie ändert ihn ja. Sie stoppt ihn, wenn er sie auf den Tisch legt. Und sie will sich umdrehen, sie will ihn sehen. Und der ist ganz überrascht. Fantastisch. Und es ist eher ungewöhnlich, das bei einem jungen Mädchen zu zeigen. Bei einem 18-jährigen Jungen wäre es nicht so ein Problem, wenn er verschiedene Ideen von Sexualität und Ausprobieren auslebt: „Der muss sich doch ausprobieren, der Junge.“ Bei Mädchen stört es einen.

Wo waren Sie eigentlich mit 19?

Es war die Wendezeit. Ich war ein bisschen jünger als Maria, als die Mauer gefallen ist. Und ich war an diesem Tag bei meiner Freundin, auf dem Land in Ostfrankreich, im Jura. Darum ist mir die Natur so nahe. Ich war noch gar nicht so weit wie Maria. Aber die Sehnsüchte waren natürlich da, die man im Kino findet, oder in der Literatur.

Welche Filme?

Französische Filme, amerikanische: Le Grand Bleu – Im Rausch der Tiefe. Ich war natürlich unendlich in Jean-Marc Barr, den Hauptdarsteller, verliebt, genau wie alle meine Freundinnen. Dieses Träumen von großen Gefühlen, wo einem das Herz und die Lunge platzen, wo wir so viel Energie haben! Aber meine Sehnsüchte richteten sich eher auf Jungs meines Alters. Ich war damals vielleicht ein bisschen naiver als die anderen, aber ich hatte Freunde auf dem Dorf in Frankreich, die gar nicht naiv waren. Freundinnen, die ganz krasse Beziehungen hatten.

Ist der Umgang mit Erotik, Liebe und Sex in Frankreich offener, oder ist das ein Klischee?

Obwohl es ein so katholisches Land ist: Der Begriff „Amour fou“ kommt von dort. Catherine Breillat zum Beispiel, deren Werke seit 30 Jahren immer wieder um die Suche nach sexueller Identität kreisen, geht sehr weit, sie schreibt sehr pornografisch. Aber sie wurde auch angefeindet, so wie Virginie Despentes damals für Baise-moi.

Kriens Buch orientiert sich an erotischer Literatur, Marguerite Duras, Anaïs Nin. Das weibliche Begehren ist im Kino immer noch etwas Besonderes. Warum?

Ein Mann darf diese Filme machen, er darf die Perspektive eines Mannes haben. Bei Frauen kommt das seltener vor. Aber die Hälfte der Gesellschaft ist weiblich! Und wir haben als Menschen die gleichen Bedürfnisse. Mann und Frau müssen atmen, sie brauchen Wasser. Und Sex. Es war mir ganz wichtig, dass die Zuschauer im Film einen nackten Mann sehen können, in seiner Natürlichkeit. Ich finde einen nackten Mann wunderschön. Und ich verstehe nicht, warum wir so viele Jahre lang keine nackten Männer im Kino sehen können. Nur weil Frauen anscheinend schöner sind. Wir sehen Brüste und Vaginas, aber wir sehen selten Hoden.

Wahrscheinlich, weil es Männer sind, die die Filme machen?

Ja, und die wollen Frauen nackt sehen. Das ist auch okay, wir gucken uns das ja auch an, aber wir wollen eben auch Männer sehen.

Ihre Filme handeln von Frauen in Krisen, die an Wendepunkten sind, Lösungen finden müssen. Sei es postnatale Depression in „Das Fremde in mir“, das Unglück eines Stars wie Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon“ oder die junge Mutter einer katholisch-irischen Familie, die in Ihrem Debüt „Mollys Way“ ihren Mann sucht. Was reizt Sie an solchen Themen?

Und in Mehr denn je ist es die Emanzipation der Sterbenden, der Kranken, zu sagen: Ich darf selbst entscheiden, wie ich das Ende lebe. Was sind die Probleme, wie kommt man da raus? Der Mensch selbst fasziniert mich. Und Dinge, die in der Gesellschaft nicht akzeptiert sind. Maria in Irgendwann ist am Ende zur Frau geworden, sie ist gewachsen, trotz der Tragik. Sie ist daran nicht zerbrochen.

Sie waren schon als Mädchen und Jugendliche frustriert, weil die meisten Disney-Helden Jungs waren, erzählten Sie mir mal.

Ja, wie im Dschungelbuch: Ich sah als Kind aus wie Mogli, aber Mogli war eben ein Junge. Er durfte mit dem Panther reden. Das Mädchen kam nur am Ende des Films vor und war nur hübsch und langweilig. Wir hatten Pippi Langstrumpf, das war quasi die Einzige, die cool war. Und Heidi, die Biene Maja.

Ihre Mutter war Französin, Ihr Vater ist Iraner. Wie haben Ihre Eltern Sie geprägt?

Meine Mutter war eine große Abenteurerin und eine sehr starke Person. Mich hat ihre Menschlichkeit geprägt. Bei uns zu Hause waren immer Leute aus verschiedenen Welten. Es war ihr nicht so wichtig, dass wir lesen. Aber dass wir Kunst sehen, für andere Kulturen offen sind. Als ich klein war, hatte meine Mutter einen Freund aus der Elfenbeinküste, und der saß im Gefängnis. Er sollte abgeschoben werden. Und jede Woche gingen wir dahin, brachten ihm Marmelade und verbrachten eine Stunde mit ihm. Ich liebte das.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Ich habe nicht einen Ort, ein Volk, eine Heimat. Für mich ist es die Welt, Europa, französische Filme. Mein Mann ist Pole, wir trafen uns bei meinem ersten Dreh vor 18 Jahren, unsere Tochter ist jetzt zwölf. Im Sommer ziehen wir nach L. A., wo mein Vater lebt, der jetzt 86 ist. Die Zeit vergeht so schnell. Wandern wir also ein bisschen aus.

Zur Person

Emily Atef, geboren 1973 in Berlin, zog mit sieben mit der Familie nach Los Angeles, mit 13 nach Frankreich. In Paris studierte sie Schauspiel, war in London am Theater und studierte dann an der DFFB in Berlin Regie. Ihr Spielfilm 3 Tage in Quiberon erhielt 2018 den Deutschen Filmpreis in sieben Kategorien. Irgendwann werden wir uns alles erzählen lief dieses Jahr im Wettbewerb der Berlinale

Lesen Sie mehr in der aktuellen Ausgabe des Freitag.





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