Мы в Telegram
Добавить новость
103news.com
World News in German
Июль
2023

1920er-Jahre | Die Schatten im Babylon Berlin: Günther Birkenfelds Moabit-Roman „Dritter Hof links“

0
Günther Birkenfelds Roman „Dritter Hof links“ erschien zum ersten Mal im Jahr 1929. Eindrücklich zeigt er das Elend der Jugend in dieser Zeit. Die Lektüre lohnt sich, gerade heute
Die Schatten im Babylon Berlin: Günther Birkenfelds Moabit-Roman „Dritter Hof links“

Klar, den Höhenrausch der vermeintlich Goldenen Zwanziger Jahre gab es. Doch für wen? Weltkriegsende und Revolution, neue Verfassung und Frauenwahlrecht brachten zwar demokratische Verhältnisse und freiere Lebensweisen, aber schon die Hyperinflation von 1923 und die Weltwirtschaftskrise ab 1929 gefährdeten den hoffnungsvollen Aufbruch der ersten deutschen Republik nachhaltig. Moderne Lebenskonzepte blieben die Ideen weniger liberaler Intellektueller, die ihre Wirkung zumeist erst in der historischen Rückschau entfalteten.

Wie zerstörerisch sich dagegen die ökonomische Verelendung am Ende der 1920-er Jahre auswirkte, zeigt ein jetzt wieder veröffentlichter Roman von Günther Birkenfeld. Erstmals im Frühjahr 1929 im Verlag von Bruno Cassirer erschienen, verweist schon sein Titel Dritter Hof links auf eine soziale Topografie am Rande des Existenzminimums. Hier, im letzten Hof einer Mietskaserne im Berliner Arbeiterbezirk Moabit, leben die Witwe Schwarzer und ihre drei Kinder. In Küche und Stube und bedrückender Armut. Die kranke Mutter wäscht und putzt in einem bürgerlichen Haushalt im vornehmen Bezirk Tiergarten, verdient jedoch zu wenig, um ihre Familie sattzubekommen. Die 20-jährige Tochter Erna verdient als Kontoristin eigenes Geld, teilt jedoch nicht und wird schwanger von einem Liebhaber, der sich verdünnisiert.

Es geht auch um Begehren

Der 17-jährige Sohn Paul ist arbeitsloser Schlossergeselle, der Gelegenheitsjobs annimmt und sich schämt, seiner Mutter zur Last zu fallen. Und die 15-jährige Lene träumt von betuchten Kavalieren und schönen Kleidern. Auf engstem Raum zusammenlebend, entdecken die Geschwister Paul und Lenchen ihre Gefühle füreinander. Als Paul – der inzwischen als Preisboxer sein Geld verdient und schwere Schläge einstecken muss – ein anderes Mädchen findet und sich aus der Beziehung mit der Schwester löst, kommt es zur Katastrophe. Lene verlässt die Familie und gerät in eine Abwärtsspirale – bis auf den Straßenstrich. Die Mutter, der die Kinder unwiederbringlich entgleiten, greift zum Äußersten.

Die drastischen Elemente des Romans wie Inzest und Prostitution mit diversen Klischees und melodramatischem Finale können irritieren. Ebenso befremdlich, weil lautstark und folgenlos, bleiben auch die Ausbrüche des hoffnungslosen Helden Paul: „Zerschlagen ..., man sollte alles zerschlagen! Eine solche Revolution muss kommen, dass nichts mehr übrig bleibt! Wie lange sollen wir denn noch so weiter verlumpen und verrecken!“ Welche Revolution kommen muss, verrät der wütende Aufschrei nicht. Auch weitergehende Erkenntnisse deutet der Roman nicht einmal an: Es finden sich weder Einsichten in die Ursachen der extremen Verarmung noch Diskussionen über Alternativen; von aktiven Handlungsträgern mit Potenzialen zur Veränderung der bestehenden Verhältnisse keine Spur. Nur der Künstler Emil Reuscher, der eine Zeit lang mit Familie Schwarzer in der engen Hinterhofwohnung lebt, hat ein sozialmoralisches Gewissen und ein Reflexionsvermögen, das über Armut und Perspektivlosigkeit hinausgeht.

Dennoch ist der Roman als zeithistorisches Dokument durchaus lesenswert. Zum einen schildert das Werk des damals erst 27 Jahre alten Autors ungeschminkt die Folgen der wirtschaftlichen Verelendung und sozialen Verwahrlosung, von der vor allem auch proletarische und subproletarische Jugendliche betroffen waren. In den Blick gerät damit jener Teil der deutschen Gesellschaft, der im Verbund mit einem abstiegsgefährdeten Bürgertum nach 1933 dazu beitragen sollte, den Nationalsozialismus zu einer „erfolgreichen“ Jugendbewegung zu machen.

Zum anderen – und darauf verweist das instruktive Nachwort von Erhard Schütz eindringlich – thematisiert der Roman damals wie heute aktuelle Problemlagen, die bereits in den 1920ern diskutiert wurden. Politische Bewegungen und namentlich die extremen Parteien umwarben die junge Generation und suchten sie organisatorisch an sich zu binden. Sozialwissenschaftler wie Karl Mannheim erforschten generationelle Identitäten und Generationenkonflikte; Verlage und Filmproduktionsfirmen bemühten sich um junge Autoren und Autorinnen sowie um „junge“ Themen. Der 1928 erschienene Roman Jahrgang 1902 von Ernst Glaeser wurde zur Initialzündung für eine Welle von zeitgenössischen Adoleszenz-Geschichten und Krisenromanen im Jugendmilieu. Ebenfalls neu war die literarische Gestaltung von Jugendschicksalen aus dem Proletariat: An die Seite bürgerlicher Sinnsucher traten nun Heldinnen und Helden aus der arbeitenden Klasse. Aufschlussreicherweise waren es der Verlag des Kunsthändlers und Pferdezüchters Bruno Cassirer und sein Cheflektor Max Tau, die mit Birkenfelds Moabit-Roman Dritter Hof links und mit Georg Finks Wedding-Roman Mich hungert erste erfolgreiche Titel dieser Sparte im Programm hatten. Der im Dezember 1929 veröffentlichte Roman Mich hungert brachte es in der Volksausgabe auf 40.000 verkaufte Exemplare; er wurde in 13 Sprachen übersetzt, während Birkenfelds Dritter Hof links immerhin ins Englische übertragen wurde und mehrfach in England beziehungsweise in den USA erschien.

Schließlich und nicht zuletzt geht es in Birkenfelds Roman um sexuelles Begehren. Und das war in diesen Zeiten nicht mehr Privatsache, wie Wilhelm Reichs engagierte Aufklärungsschrift mit kommunistischer Perspektive Der sexuelle Kampf der Jugend (1932) belegt. Wenn der Schlossergeselle Paul seine ersten Erfahrungen mit einer Dame aus besseren Kreisen macht, die ihn mitsamt seinen hochfliegenden Hoffnungen jedoch kalt abserviert, wird zudem klar, wie asymmetrische Machtverhältnisse und ungerechte Verteilung von Reichtum auf emotionaler Ebene durchschlagen. Was wichtig bleibt.

Verlegerische Findigkeit

Die Wiederauflage des erstmals 1929 erschienenen Moabit-Romans von Günther Birkenfeld ist Resultat verlegerischer Findigkeit und hoher Einsatzbereitschaft. Der Quintus-Verlag von André Förster hatte bereits den Roman Berlin Schlesischer Bahnhof von Julius Berstl wieder aufgelegt und damit ein Werk zugänglich gemacht, das zu Beginn der 1930er Jahre geschrieben und erstmals 1963 gedruckt worden war. Auch dieser Roman thematisiert die Schicksale von Jugendlichen, die im Moloch der Reichshauptstadt ihr Glück suchten; ähnlich wie Ernst Haffners Roman Jugend auf der Landstraße Berlin, der 1932 erschien, im Jahr danach verboten wurde und 80 Jahre später unter dem Titel Blutsbrüder im Jahr 2013 zum Bestseller avancierte.

Mit der Publikation des Romans Dritter Hof links trägt der findige Verleger zugleich zur historischen Erinnerungsarbeit bei. Der heute fast vergessene Autor Günther Birkenfeld war in der Weimarer Republik Lektor und Generalsekretär im Schutzverband Deutscher Schriftsteller (SDS). Nach 1933 blieb er im Lande und wich auf die Produktion historischer Romane aus. Und wurde nach 1945 zu einem Aktivisten der „freien Welt“, der im geteilten Nachkriegs-Berlin mit dem Antistalinisten Melvin Lasky und dessen Zeitschrift Der Monat zusammenarbeitete; vom CIA finanziert. Nun ja. Der dreiteilige Roman Wolke – Orkan – und Staub lieferte 1955 ein umfassendes Panorama von NS-Diktatur, Zerstörung und Neuanfang. Was damals nicht zündete. Doch als Dementi der literaturgeschichtlichen Legenden, nach denen es in der Nachkriegszeit keine Auseinandersetzung mit deutscher Schuld und der Luftkriegszerstörung deutscher Städte gegeben habe, wurde dieses Werk von Birkenfeld 2018 wieder veröffentlicht; verdienstvollerweise im Berliner Verlag Das kulturelle Gedächtnis.

Wenn nun also die literarischen Anfänge von Günther Birkenfeld und die elenden Verhältnisse in der Endphase der Weimarer Republik wiederzuentdecken sind: Bleibt zu hoffen, dass diese Findigkeit von Leserinnen und Lesern erkannt und mit Lektüre vergolten wird. Es lohnt sich.

Dritter Hof links Günther Birkenfeld Nachwort von Erhard Schütz Quintus Verlag 2023, 184 S., 22 €

Lesen Sie mehr in der aktuellen Ausgabe des Freitag.





Губернаторы России
Москва

В московской мэрии не планируют запрещать самокатам ездить по тротуарам





Москва

Эксперт Президентской академии в Санкт-Петербурге о ключевой роли МСП в экономике страны


Губернаторы России

103news.net – это самые свежие новости из регионов и со всего мира в прямом эфире 24 часа в сутки 7 дней в неделю на всех языках мира без цензуры и предвзятости редактора. Не новости делают нас, а мы – делаем новости. Наши новости опубликованы живыми людьми в формате онлайн. Вы всегда можете добавить свои новости сиюминутно – здесь и прочитать их тут же и – сейчас в России, в Украине и в мире по темам в режиме 24/7 ежесекундно. А теперь ещё - регионы, Крым, Москва и Россия.

Moscow.media
Москва

Собянин: В ТиНАО в программу реновации включили 268 домов



103news.comмеждународная интерактивная информационная сеть (ежеминутные новости с ежедневным интелектуальным архивом). Только у нас — все главные новости дня без политической цензуры. "103 Новости" — абсолютно все точки зрения, трезвая аналитика, цивилизованные споры и обсуждения без взаимных обвинений и оскорблений. Помните, что не у всех точка зрения совпадает с Вашей. Уважайте мнение других, даже если Вы отстаиваете свой взгляд и свою позицию. 103news.com — облегчённая версия старейшего обозревателя новостей 123ru.net.

Мы не навязываем Вам своё видение, мы даём Вам объективный срез событий дня без цензуры и без купюр. Новости, какие они есть — онлайн (с поминутным архивом по всем городам и регионам России, Украины, Белоруссии и Абхазии).

103news.com — живые новости в прямом эфире!

В любую минуту Вы можете добавить свою новость мгновенно — здесь.

Музыкальные новости

Юрий Лоза

Певец Лоза заявил, что Джикия является настоящим капитаном




Спорт в России и мире

Алексей Смирнов – актер, которого, надеюсь, еще не забыли

Эксперт Президентской академии в Санкт-Петербурге о развитии спорта в селах Чукотки

Эксперт Президентской академии в Санкт-Петербурге о развитии спорта и повышении его доступности для граждан

Эксперт Президентской академии в Санкт-Петербурге назвала главные стимулы россиян для систематических занятий физкультурой и спортом


ATP

Теннисист Медведев потеряет место в рейтинге ATP



Новости Крыма на Sevpoisk.ru


Москва

Врач Цимбалова заявила, что данные по заболеваемости детей штаммом FLiRT пока отсутствуют



Частные объявления в Вашем городе, в Вашем регионе и в России