Parteiübergreifend Kritik an Äußerungen von Merz über Geflüchtete
Für seine Äußerungen über Geflüchtete ist CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstag parteiübergreifend scharf kritisiert worden. "Das ist der Populismus, den ich auch letzte Woche im Bundestag schon thematisiert habe", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Brüssel. SPD, Grüne und Linke warfen Merz vor, die Gesellschaft zu spalten. Die Union stellte sich hingegen hinter ihren Fraktionschef.
Faeser nannte dessen Aussagen "völlig unangemessen, gerade in diesen Zeiten". Die Ministerin betonte: "Wir haben große Herausforderungen, da sollte man nicht noch dazu beitragen, dass die Gesellschaft sich spaltet." Merz' Äußerungen seien zudem "in der Sache einfach falsch". Asylbewerber könnten nur in Notfällen, wenn wirklich was vorliegt, überhaupt zum Zahnarzt gehen.
Merz hatte am Mittwochabend in einer Talkshow des Senders "Welt" gesagt, die Bevölkerung hierzulande werde "wahnsinnig", wenn diese sehe, dass 300.000 abgelehnte und nicht ausgereiste Asylbewerber "die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen". Und weiter: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen. Und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine."
Die Äußerungen hatten bereits kurz nach der Sendung für scharfe Kritik gesorgt. Faeser warf dem CDU-Chef auf X (vormals Twitter) "erbärmlichen Populismus auf dem Rücken der Schwächsten" vor. "Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD."
Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, forderte eine Entschuldigung des CDU-Chefs. "Merz sollte den Anstand haben, sich dafür zu entschuldigen", sagte sie der "Rheinischen Post". Mast betonte: "Hier wird bewusst die Entgleisung nach rechts gesucht." Merz spiele mit dem Feuer - das sei "brandgefährlich".
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warf Merz bewusstes Spalten vor. "Dieses Schüren, Geflüchtete nehmen uns die Zahnarzttermine weg, das ist ein ganz bewusstes Spalten der Gesellschaft", sagte sie dem Sender "Phoenix". Das sei "ein Vergiften des Klimas" und aus ihrer Sicht "verantwortungslos". Ihr Parteikollege, Konstantin von Notz, nannte die Aussagen im Bundestag "objektiv falsch und menschlich niederträchtig". Merz bewege sich "auf dem Niveau eines russischen Troll-Accounts".
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sprach bei "Phoenix" von "einer völlig inakzeptablen Position, weil es die Schwächsten gegen die Schwachen ausspielt". Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger warf Merz vor, "Copypaste bei der AfD" gemacht zu haben. "Das war billiger Rechtspopulismus", sagte sie im Bundestag.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), schrieb auf X: "Mit Falschbehauptungen Stimmung zu machen gegen die Schwächsten, das ist absolut unwürdig, Herr Merz!". Auch sie warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft.
Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Christoph Benz, wies Merz' Äußerungen ebenfalls zurück. Er könne die Aussagen "ehrlich gesagt nicht nachvollziehen", sagte er der "Wirtschaftswoche". "Da gibt es keinen Zusammenhang." Pauschalaussagen bei komplexen Lagen seien zudem oft problematisch.
Aus seiner eigenen Partei erhielt Merz jedoch Rückendeckung. "Friedrich Merz hat Recht", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU) der "Rheinischen Post". Hunderttausende abgelehnte Asylbewerber in Deutschland seien zum Teil seit Jahren ausreisepflichtig. "Dennoch können sie zum Nulltarif das deutsche Gesundheitssystem nutzen." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (CSU) verteidigt Merz in der Zeitung ebenfalls. Dieser habe lediglich "auf eine Stimmung in der Bevölkerung hingewiesen".
Trotz der angeblichen Rückendeckung wurden die umstrittenen Äußerungen zeitweise aus einem Video-Ausschnitt von Merz' Talkshow-Auftritt auf der X-Seite der Unionsfraktion entfernt - später allerdings wieder hinzugefügt.