Zahlreiche Tote nach Krankenhaus-Beschuss: Israel beschuldigt Islamischen Dschihad
Zahlreiche Todesopfer und gegenseitige Schuldzuweisungen: Am Dienstag ist ein Krankenhausgelände in Gaza von einem folgenschweren Raketeneinschlag getroffen worden. Während Israel den Islamischen Dschihad für den Vorfall verantwortlich machte, wies die im Gazastreifen herrschende Hamas Israel die Schuld für den Angriff zu. Das Gesundheitsministerium der Hamas meldete "zwischen 200 und 300" Tote. Wenige Stunden zuvor traf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Tel Aviv mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammen.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Hamas befanden sich nach dem Vorfall hunderte Opfer unter den Trümmern des Krankenhauses Ahli Arab in der Innenstadt von Gaza. Bilder im Sender al-Dschasira zeigten Sanitäter und Zivilisten, die Leichen in weißen Taschen oder Decken bergen. Das Medienbüro der Hamas sprach von einem "Kriegsverbrechen".
Die israelische Armee machte wenig später die Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad für den folgenschweren Angriff auf das Krankenhaus verantwortlich. Darauf wiesen Informationen der Geheimdienste hin, die "auf mehreren uns vorliegenden Quellen basieren", hieß es in einer Mitteilung der Armee. Weiter erklärte sie, eine Analyse ergebe, dass "eine Raketensalve von Terroristen in Gaza abgefeuert wurde, die in unmittelbarer Nähe des Ahli-Krankenhauses vorbeizog, als dieses getroffen wurde".
Zehntausende Familien im Gazastreifen suchen derzeit in den völlig überfüllten Krankenhäusern des Gazastreifens Zuflucht vor Luftangriffen, mit denen Israel auf den Großangriff der Hamas vom 7. Oktober reagiert. Auch auf dem nun getroffenen Krankenhausgelände hielten sich Menschen auf, die ihre Häuser verlassen mussten.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem "Krankenhaus-Massaker" und ordnete an, die Fahnen für eine dreitägige Trauerzeit auf Halbmast zu setzen und der "Märtyrer" in dieser Zeit zu gedenken. Im Ramallah im Westjordanland, dem Sitz von Abbas, marschierten am Abend hunderte Demonstranten durch die Straßen und forderten den Rücktritt des Palästinenserpräsidenten.
Die Wut der Demonstranten entzündete sich offenbar an dem ihrer Ansicht nach zu sanften Ton, den Abbas seit Beginn des Krieges angeschlagen habe. Abbas steht der Palästinenserbehörde im Westjordanland vor, während im Gazastreifen die Hamas regiert. Bei später einsetzenden Krawallen setzten Sicherheitskräfte Tränengas gegen die Demonstranten ein.
Der folgenschwere Vorfall auf dem Krankenhausgelände rief international zahlreiche Reaktionen hervor. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, er fordere die Menschheit auf einzuschreiten "und diese beispiellose Brutalität in Gaza zu stoppen". Auch der Chef der Arabischen Liga, Ahmet Abul Geit, rief die westlichen Staaten auf, "dieser Tragödie sofort ein Ende zu setzen". WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus verurteilte den Angriff.
Die im Libanon herrschende Hisbollah rief für Mittwoch zu einem "Tag des Zorns" auf. In der jordanischen Hauptstadt Amman versuchten dutzende Demonstranten die israelische Botschaft zu stürmen. Vor der französischen Botschaft in der tunesischen Hauptstadt Tunis versammelten sich hunderte Demonstranten, welche die Entlassung des französischen und des US-Botschafters forderten.
Die Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel gestartet, dort Massaker unter Zivilisten verübt und mindestens 199 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Bei dem Angriff wurden in Israel nach Angaben der dortigen Dienste mehr als 1400 Menschen getötet. Bei den israelischen Gegenangriffen auf den Gazastreifen wurden nach bisherigen Angaben der dortigen Behörden etwa 3000 Menschen getötet.
Am Mittwoch wird US-Präsident Joe Biden zu einem Besuch in Israel erwartet. Wenige Stunden vor Bekanntwerden des Geschehens in Gaza war Bundeskanzler Scholz am Dienstag gemeinsam mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu in Tel Aviv vor die Presse getreten. "Die Sicherheit Israels und seiner Bürgerinnen und Bürger ist deutsche Staatsräson", sagte Scholz. "Unsere aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung macht es uns zu unserer Aufgabe, für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel einzustehen", sagte der Kanzler weiter.
Netanjahu verglich die Hamas mit den Nazis: "So wie die Welt sich zusammen getan hat, um die Nazis zu besiegen (...) so muss die Welt nun geeint hinter Israel stehen, um die Hamas zu besiegen", sagte der israelische Regierungschef. "Die Barbarei, die von Mördern der Hamas aus dem Gazastreifen begangen wurde, ist das schlimmste Verbrechen gegen Juden seit dem Holocaust."