Social Media: Warum Tiktok nun einen eigenen Online-Shop eröffnet
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Meta hat seine Shop-Projekte eingestellt, auch andere Plattformen tun sich zunehmend schwer. Ausgerechnet jetzt expandiert Tiktok und will Amazon das Wasser abgraben.
Auf Tiktok laufen sich die ersten Influencer schon warm. Einfacher werde es nun wirklich nicht mehr, erklärt einer, und verziert sein Video mit zahlreichen Geldschein-Emojis. Bald ließen sich Produkte direkt über Tiktok vertreiben. Wer beispielsweise eine Hose oder ein Parfüm bewerben will, könne hierfür einen Link setzen und das Produkt noch in der App verkaufen. Tiktok wolle nur eine kleine Provision von bis zu fünf Prozent dafür. Deutlich weniger als bei Amazon & Co. In anderen Worten könnte das heißen: Wer jetzt nicht auf Tiktok dabei ist, der ist wohl selbst Schuld.
Grund für die Goldgräberstimmung ist der sogenannte Tiktok Shop. Dieser geht in immer mehr Ländern an den Start – zuletzt etwa in den USA – und soll offenbar bald nach Deutschland kommen. Wann, das steht noch nicht fest – aber geht es nach Bytedance, der Firma hinter Tiktok, dürfte das wohl nicht mehr allzu lang dauern. Denn Bytedance will den Onlinehandel nicht weniger als revolutionieren.
STERN PAID 28_23 Soziale Medien Titel_0616Das Konzept ist indes nicht neu. Es nennt sich Social Shopping, und basiert darauf, live und mit direktem Kundenkontakt zu verkaufen. Ein wenig wie das TV-Shopping der Neuzeit – nur, dass die Kundinnen und Kunden alles in einem Medium erledigen können. Der Influencer weckt das Interesse im Livestream, markiert das beworbene Produkt mit einem Link, und die Nutzerinnen und Nutzer kaufen es noch innerhalb der App. Das soll die sogenannten Absprungraten reduzieren – also den Teil der Nutzerinnen und Nutzer, die beim Wechsel von Tiktok auf die Website des Verkäufers den Kaufprozess abbrechen.
Instagram schließt Shop, Tiktok eröffnet
Ob es allerdings so erfolgreich wird, wie sich Bytedance das vorstellt, darf zumindest hinterfragt werden. TV-Shopping hat seinen früheren Stellenwert verloren und auch der große Konkurrent Meta ist mit ähnlichen Ideen gescheitert. Erst im Februar hat sich Instagram von seinem Shopping-Tab verabschiedet – ein Konzept, das sehr ähnlich zu dem von Tiktok funktionierte. Wenige Monate zuvor wurde die Funktion bereits bei Facebook abgeschaltet. Allerdings wurden Nutzerinnen und Nutzer hier noch über die Website des Verkäufers geleitet. Etwas besser läuft es beim Streamingdienst Twitch, der eine Kooperation mit Amazon eingegangen ist.China-Klamotten_18h
Bytedance geht einen anderen Weg, und will gewissermaßen einen Mix aus Instagram-Shopping und Plattform-Konzepten wie Amazon oder Alibaba schaffen. In Asien hat das bereits gut funktioniert. Dort wuchs der Markt für Live-E-Commerce laut Goldman Sachs um 18 Prozent, weshalb jetzt auch die Expansion erfolgte. 2022 verkaufte Bytedance Waren im Wert von fünf Milliarden Dollar über Tiktok und das chinesische Pendant Douyin, 2023 sollen es laut Wall Street Journal bereits 20 Milliarden Dollar werden. Größter Treiber soll dabei der eigene Shop werden.
Indonesien verbietet E-Commerce über Social Media
Doch nicht nur die Beispiele von Instagram oder Facebook zeigen, dass die Prognose langfristig sehr optimistisch gewesen sein könnte. Zum einen bedeutet Erfolg in Asien nicht automatisch Erfolg in anderen Erdteilen. Zum anderen könnten Regulatoren dem chinesischen Unternehmen weltweit den Stecker ziehen. In Indonesien etwa, einem der wichtigsten Länder von Bytedance, hat die Regierung im September E-Commerce über Social Media-Plattformen verboten.
Mouth Taping, 21.45In den USA steht Tiktok ohnehin seit mehreren Jahren im Fokus der Behörden. Die Liste der Vorwürfe ist lang und reicht von Datenschutz-Lücken bis hin zu psychischen Problemen bei den überwiegend jungen Nutzerinnen und Nutzern. Bislang hat Tiktok aber so schnell seine Reichweite und Beliebtheit ausgebaut, dass eine Regulierung extrem unpopulär gewesen wäre. Doch auch das muss nicht so bleiben.
Niedrige Provisionen machen Geschäft komplizierter
Und drittens ist auch ein Plattform-Angebot kein Selbstläufer. Vor allem wenn eigene Logistik ins Spiel kommt, wie zuletzt in Großbritannien. Tiktok verlangt von seinen Content-Creatorn laut Medienberichten zu Beginn nur eine niedrige einstellige Provision, die später auf fünf Prozent steigt. Das ist deutlich weniger als bei Amazon, wo die Provision je nach Produkt zwischen 8 und 15 Prozent liegt. Außerdem müssen Amazon-Händler de facto Werbung schalten, um im Shop überhaupt ansatzweise sichtbar zu sein. Werbung ist auf Tiktok zwar auch möglich, aber der Content ist hier deutlich wichtiger für die Reichweite. Das alles drückt potenziell auf Umsatz und Marge.
Tatsächlich hatte auch der Tiktok Shop Anlaufprobleme. Laut "Financial Times" sollte der Rollout in Deutschland und weiteren europäischen Ländern bereits im Sommer 2022 erfolgen. Doch das Projekt wurde vorerst auf Eis gelegt, nachdem mehrere interne Ziele verfehlt wurden und Influencer abgesprungen sind. Doch nachdem der Tiktok Shop in Asien gut angekommen ist, dürfte Bytedance mit Rückenwind in weitere Märkte gehen – 167 Milliarden Aufrufe auf Videos mit dem Hashtag #tiktopshop sprechen für sich.