Raumfahrt: Gewaltige Weltraum-Kanone soll für China das All erobern
Mit einer Kanone ins Weltall, diese Idee hatten schon andere. Nun probieren es die Chinesen. Eine Railgun soll als riesiges Katapult die Startphase für einen Weltraumgleiters übernehmen.
Mit einer Kanone zum Mond – so stellte sich schon der frühe Science-Fiction Autor Jules Verne die Raumfahrt vor. Anstatt eines Raketenantriebes wurde die Kapsel aus einem Rohr abgefeuert. So wie es sich Jules Vernes ausmalte, kann das Projekt nicht funktionieren, doch abwegig ist es nicht, anstelle der teuren Ein-Weg-Technik eines Raketenantriebes wird eine wiederverwendbare Struktur benutzt. Das würde die Kosten massiv reduzieren und eine viel schnellere Taktung der Starts erlauben.
Der Traum von der Superkanone
Gerald Bull gilt als größter Artillerieexperte der Nachkriegszeit, auch er war von der Idee einer Weltraumkanone besessen. In den 1960er Jahren arbeitete Bull am High Altitude Research Project (HARP). Mit umgebauten alten Marinekanonen erreichte er Höhen von 180 Kilometern. Um den Orbit zu erreichen, wollte Bull Geschosse mit einer zusätzlichen Raketenstufe bauen. Dazu kam es nicht. Obwohl er nur geringe Mittel benötigte, wurde das ganze Projekt zugunsten der ballistischen Raketen aufgegeben, an denen Wernher von Braun arbeitete.
Bull ließ das Vorhaben Zeit seines Lebens nicht los. Schließlich zeigte Saddam Hussein Interesse an der Superkanone. Angeblich sollte sie 600 Kilogramm in den Orbit bringen können. Bevor das Projekt Babylon fertiggestellt werden konnte, wurde Bull vom israelischen Geheimdienst ermordet.
Strom statt Pulver
Nun nimmt China die Idee einer Space Gun wieder auf, das berichtet die "South China Morning Post". Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Das neue Projekt will die sogenannte Railgun-Technik nutzen. Hier wird das Geschoss nicht mit der Explosion einer Treibladung beschleunigt, sondern von einem elektromagnetischen Impuls. Damit werden die Grundprobleme der Bullschen-Superkanonen umgangen. Das ist einerseits der ungeheure Druck, den so eine Kanone in der Kammer und im Lauf erzeugt. Andererseits lässt sich die Geschwindigkeit des expandierenden Gases und damit die Startgeschwindigkeit nicht beliebig steigern.
Starke Beschleunigung
Auch bei der Railgun gibt es technische Herausforderungen, doch im Prinzip kann sie eine Masse sehr schnell beschleunigen. Aus diesem Grund haben die USA auch an militärischen Railguns gearbeitet, sie könnten eine sehr viel höhere Reichweite als Pulverkanonen haben. Die USA haben das Projekt zugunsten von Hyperschallwaffen und Lasern aber fallen lassen.
China hingegen arbeitet weiter an der Railgun-Technik. Das neue Projekt ist tatsächlich eher eine Starthilfe für eine Weltraumfähre. Die Hyperschallfähre soll auf einer gewaltigen Rampe von dem elektromagnetischen Impuls der Railgun auf Startgeschwindigkeit beschleunigt werden. Das wäre die 1,6-fache Schallgeschwindigkeit – etwa 2000 Stundenkilometer. Dann würde das Raumschiff seinen eigenen Antrieb zünden und auf siebenfache Schallgeschwindigkeit beschleunigen.
Zwischen Vision und echtem Projekt
Von einer Kapsel kann man kaum reden, das Raumschiff soll 50 Tonnen wiegen und länger als eine Boeing 737 sein, so zumindest das 2016 vorgestellte "Tengyun-Projekt". Worin liegt der Vorteil? Beim Start wird besonders viel Treibstoff verbraucht, der auch irgendwo untergebracht werden muss. Bei der Railgun blieben Energieversorgung und Technik am Boden. Dazu können Form und Antrieb des Flugobjekts vollständig auf hohe Geschwindigkeiten optimiert werden. "Die elektromagnetische Starttechnologie bietet eine vielversprechende Lösung zur Bewältigung dieser Herausforderungen und hat sich zu einer strategischen Grenztechnologie entwickelt, die von den führenden Nationen der Welt verfolgt wird", schreibt das Forscherteam unter der Leitung von Li Shaowei in der chinesischen Fachzeitschrift "Acta Aeronautica".
Die Chinesen scheinen über das Stadium reiner Gedankenspiele und Computersimulationen hinausgekommen zu sein. In einer Testanlage, die primär für Magnetschwebebahnen gebaut wurde, führten sie erste Versuche durch. Dabei ging es um Luftströmungen und Vibrationen in der Startphase, die zwischen dem Schlitten der Railgun, dem Boden und dem Gleiter entstehen.
Der Start so eines Weltraumgleiters liegt in weiter Ferne, aber man sollte das Projekt nicht als Hirngespinst abtun. China investiert und arbeitet intensiv an der elektromagnetischen Technik und will sie sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich einsetzen, sei es als Kanone, als Starter für Jets oder in der Eisenbahn. Mit diesen Projekten sind zentrale Zukunftstechnologien wie Magneten und Stromversorgung ohne Widerstand verbunden. Die Space Gun ist also ein Teil in einem sehr viel größeren Puzzle.