Tiere: Die leise Rückkehr des Otters nach Hessen

Es ist eine kaum bemerkte Erfolgsgeschichte, die sich an Hessens Flüssen und Bächen abspielt. Ein alter Bewohner findet sein Zuhause wieder.

Die Rückkehr des Fischotters nach Hessen schreitet voran – langsam, aber stetig. Seit den ersten Nachweisen im Jahr 2013 lässt sich eine allmähliche Ausbreitung der Art beobachten – auch wenn die Bestände in Hessen noch klein und teils isoliert sind.

Aktuell schätzen Fachleute den Bestand auf 20 bis 30 Tiere – etwas mehr als 2019. Sein Bestand gilt weiter als gefährdet, wie Otterexpertin Inga Hundertmark erklärte. "Ohne den Zustrom von außen wäre der Otterbestand in Hessen wohl kaum stabil", sagte die Vorsitzende der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) . 

Denn Otter (Lutra lutra) sind Wanderer: Sie bewegen sich vor allem entlang von Flüssen, können aber auch größere Strecken an Land zurücklegen, immer auf der Suche nach Nahrung und sicheren Rückzugsorten.

Mitte des 20. Jahrhunderts in Hessen ausgestorben

"Der Fischotter gehört als heimische Art einfach in unser Ökosystem", sagte sie zu der Rückkehr der Art. Mitte des 20. Jahrhunderts war der Bestand in Hessen erloschen – Opfer von Jagd, Gewässerverschmutzung und der Zerstörung von Lebensräumen. Nun sind es vor allem Zuwanderer aus Thüringen, Sachsen und Bayern, die Hessen wieder besiedeln.

Ein Fischotter frisst laut Hundertmark rund ein Kilogramm Fisch pro Tag. Er ist aber kein reiner Fischjäger: Je nach Jahreszeit stehen auch Amphibien, Krebse oder kleine Säugetiere auf dem Speiseplan. Als sogenannter Spitzenprädator hält er das ökologische Gleichgewicht in Fließgewässern aufrecht – indem er schwache oder kranke Tiere aus der Population entfernt.

Kaum Fett und ein dichtes Fell

Otter haben fast kein Körperfett und sind auf konstante Nahrung angewiesen. Ihr dichtes Fell – das dichteste aller europäischen Säugetiere – schütze sie im Winter vor Kälte, erklärte die Naturschützerin.

Dass sich der Otter überhaupt wieder ansiedeln kann, ist nach ihrer Ansicht ein gutes Zeichen. "Seine Rückkehr zeigt, dass sich die Lebensräume verbessert haben", sagte Hundertmark. Saubere Gewässer, strukturreiche Ufer mit überhängenden Wurzeln und dichter Vegetation bieten ihm Schutz beim Jagen und Ruhen. 

"Deutschland wieder Otterland"

Der Fischotter profitiere besonders von Renaturierungsmaßnahmen im Rahmen von Programmen wie "100 Wilde Bäche für Hessen" und der Wasserrahmenrichtlinie, die Gewässer und Ufer naturnäher gestalte, erklärte Irene Glatzle vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). 

Schutzprojekte wie "Deutschland wieder Otterland", das in Hessen von der HGON umgesetzt werde, förderten Lebensräume des Otters – etwa indem unter anderem Uferstreifen angelegt würden. 

Der niedliche Otter hat viele Fans

Trotz seiner scheuen Lebensweise hat das Tier mit dem glänzenden Fell und den wachsamen Augen viele Fans. "Die Menschen empfinden ihn als niedlich, das hilft uns im Naturschutz enorm", erklärte Hundertmark. Wer dem Otter wirklich helfen wolle, solle Rücksicht nehmen: Spaziergänger – besonders mit Hunden – sollten Ufer meiden, an denen sich die Tiere zurückziehen. Auch Beobachtungen können wertvoll sein: Wer Otter oder ihre Spuren entdeckt, kann sie mit Foto an die HGON oder das HLNUG melden.

Kein Konflikt in Hessen

Während in anderen Regionen Deutschlands die Existenz von Ottern Konflikte mit Fischzüchtern oder Anglern ausgelöst hat, ist es in Hessen bislang ruhig geblieben. "Bisher sind in Hessen keine entsprechenden Interessenkonflikte bekannt", erklärte Glatzle. Auch in von Fischzuchtbetrieben genutzten Gebieten sei eine Koexistenz mit dem Otter durchaus möglich. "In Bundesländern wie Brandenburg, in denen der Fischotter nie ausgestorben war, ist das die Normalität."

Auch Hundertmark sind in Hessen keine nennenswerten Probleme wegen der Rückkehr des Otters bekannt. "Studien aus Thüringen zeigen zudem, dass der Einfluss des Otters auf natürliche Fischbestände gering ist – und die Teichwirtschaft spielt hierzulande ohnehin nur eine untergeordnete Rolle."

Straßenverkehr gefährdet Otter

Nach Einschätzung des HLNUG sind ernsthafte Konflikte mit Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Straßenbau in Hessen nicht zu erwarten. Umgekehrt könnten land- und wasserwirtschaftliche Aktivitäten beziehungsweise Anlagen sowie das dichte Straßennetz und viel Verkehr den Fischotter beeinträchtigen. 

"Solange sich die Bedingungen nicht verschlechtern, ist dadurch aber keine Bestandsgefährdung zu erwarten, da sich der Fischotter bisher auch ohne gezielte Maßnahmen selbstständig wieder in Hessen ausbreitet", erklärte die HLNUG-Expertin. Dennoch gelte es, die weitere Ausbreitung der Art auch mit Renaturierungs- und Schutzmaßnahmen zu fördern.