GDL-Ausstand: 100 Millionen Euro pro Tag: Bahnstreik kann Milliardenschaden verursachen
Die Lokführergewerkschaft GDL kündigte einen sechstägigen Streik an. Dessen schädliche Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft könnten nach Expertenmeinung in die Milliarden gehen.
Der von der Lokführergewerkschaft GDL angekündigte längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn kommt der heimischen Wirtschaft nach Prognose von Ökonomen teuer zu stehen. "Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kostet etwa 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung", sagte der Konjunkturchef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Grömling, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Bei der nun angekündigten Streikdauer von sechs Tagen würden die Kosten nicht mehr linear steigen, sondern sich teils multiplizieren. "Wir sind da schnell bei einer Milliarde Euro Schaden", sagte Grömling.
Auch andere Verkehrswege aktuell problematisch
Dazu trage bei, dass es auf anderen Verkehrswegen derzeit ebenfalls nicht rund laufe. "Auch im Schiffsverkehr staut sich etwas auf", sagte der Ökonom mit Blick auf die Situation im Roten Meer, wo es nach wiederholten Angriffen der Huthi-Milizen zur Umleitung von Containerschiffen über die deutlich längere Strecke über das Kap der Guten Hoffnung kommt. Die Folge seien erhebliche Zeitverzögerungen und Probleme in den Häfen.STERN PAID 03_24 Hamburg-Bologna 15.30
Dazu geselle sich auch noch die bis 4. Februar dauernde Sperrung der wichtigen Rheinbrücke in Leverkusen, durch die der Lkw-Verkehr behindert wird.
"Es braut sich etwas zusammen", fasste Grömling die Lage zusammen. "Die Folge werden gestörte Lieferketten und erhöhte Unsicherheit sein." Die deutsche Wirtschaft befinde sich bereits in einer Rezession. "Die droht sich nun zu verschärfen", sagte der IW-Konjunkturchef.
GDL-Streik beeinflusse "Image des Wirtschaftsstandorts Deutschland"
Ähnlich schätzt das Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ein. Durch den Streik dürfte die Wertschöpfung im Transportsektor pro Tag zwar schätzungsweise nur um 30 Millionen Euro sinken. "Viel größere wirtschaftliche Schäden entständen, wenn Fabriken ihre Produktion wegen Nachschubproblemen runterfahren müssten", warnte Krämer. "Außerdem strapaziert der Bahnstreik die Nerven der Bürger und kratzt am ohnehin angeschlagenen Image des Wirtschaftsstandorts Deutschland."Längste Streiks Deutschland6.11
Die Deutsche Bahn steht trotz eines verbesserten Tarif-Angebots vor dem längsten Streik ihrer Geschichte. Die Lokführergewerkschaft GDL kündigte für Mittwochmorgen um 2 Uhr (MEZ) die vierte Streikrunde im laufenden Tarifkonflikt an. Der Ausstand soll bis kommenden Montag um 18 Uhr dauern. Im Güterverkehr wird bereits ab Dienstagabend (18 Uhr) die Arbeit niedergelegt. Der bislang längste Streik bei der Deutschen Bahn ging 2015 über fünf Tage.
Die Bahn und die GDL ringen seit Anfang November um einen Tarifvertrag. Schon Ende November hatte die Gewerkschaft die Verhandlungen für gescheitert erklärt und mit einer Urabstimmung dann auch unbefristete Streiks möglich gemacht.
Absage an Änderungen des Streikrechts
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn hält den Ausstand für überzogen: "Der sechstägige Streik ist für Fahrgäste eine Zumutung", sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß zu Reuters. Durch die lange Dauer seien nun auch Wochenendpendler betroffen. Derzeit gebe es sehr wohl Reisende, die Verständnis für die Anliegen der Lokführer hätten. "Aber bei einem Sechs-Tage-Streik dürfte sich das Verständnis der Fahrgäste sicher halbieren."
Forderungen aus der Politik, Streiks in der kritischen Infrastruktur zu verbieten, lehnte Verkehrsminister Volker Wissing allerdings ab: "Das Streikrecht gehört zu den wesentlichen Grundrechten unserer Demokratie, die aber immer von jedem auch verlangen, sie verantwortlich zu nutzen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Quellen:"FAZ" (Bezahlinhalt), Nachrichtenagentur Reuters, IW Köln