Debatte um Mary Poppins: LSD und Analverkehr: Was Filme mit der Altersfreigabe 12 so hergeben, wenn man sie mit Kindern schaut

In England sollen Kinder "Mary Poppins" wegen diskriminierender Sprache nur noch gemeinsam mit Erwachsenen sehen. Unser Autor hat Erfahrung: Schauen er und seine Tochter Filme ab 12 an, muss er ihr oft Zweideutiges erklären. Ein Loblied auf die FSK.

Meine Tochter ist 13 Jahre alt und wir lieben es, uns abends auf der Couch Filmklassiker reinzuziehen. Meist einen Streifen ab 12, dazu gibt's Nudeln mit Tomatensauce und danach kurz Sexualkunde für Fortgeschrittene: Was war das Papa? Ein Arschfick, mein Kind! Und was hat der Mann mit seinem Gesicht im Schoß von dem anderen gemacht? Ihm einen geblasen, Liebes! Über Rassismen reden wir übrigens auch regelmäßig. Und über Männer-Rollen und Frauenbilder. Wer sagt, dass Film nicht bildet?

Jetzt also "Mary Poppins": Das Musical über eine magische Nanny, die eine dysfunktionale Familie heilt, haben mein Töchterchen und ich noch nicht angeschaut. Aber jetzt weiß ich wenigstens, was uns in dem mit fünf Oscars prämierten Kinderklassiker erwartet: rassistische Sprüche. In zwei Szenen benutzt der ohnehin ziemlich bescheuerte Admiral Boom das Wort "Hottentotten" und lässt einmal seine Kanone auf schwarze Männer abfeuern. Deshalb wurde in England das Rating "Unbedenklich" nun geändert, Kinder sollen sich das Märchen nur noch mit Erwachsenen anschauen.

Nachhilfe beim Thema Sex

Ich lasse meine Tochter aus Prinzip nichts alleine sehen, und manche Filme habe ich mir mit ihr gerade wegen kritischer Szenen angeschaut. Zum Beispiel "Vom Winde verweht", das Südstaaten-Epos von 1939. Die Bürgerkriegs-Story ist frei ab 6 Jahren, und darin werden Schwarze derart schwachsinnig dargestellt, dass sie froh sein müssten, einen Sklavenhalter als Vormund zu haben. Wir sitzen dann fassungslos vor dem Monitor und ich versuche ihr eine Welt zu erklären, in der ein solcher Film mal so anerkannt und erfolgreich war wie "Titanic" oder "Avatar".

Oder "Quo Vadis", der Bibelfilm von 1951. Meine Tochter verlangte nach härterem Stoff und der Film ist ab 16 – wohl wegen der Szenen in Circus Maximus, in denen Nero Christen den Löwen zum Fraß vorwirft. Die Passagen fand sie im Vergleich zu "Barbie" aber eher unbeeindruckend: Man würde ja die ganzen Filmtricks sehen. Dafür empörte sie sich über die vielen jungen Frauen in dem Film, die sich 20 Jahre älteren Männern an den Hals werfen. Da braucht sie keine Nachhilfe mehr.

Nachhilfe bekommt sie aber beim Thema Sex, der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) sei Dank. Ich achte zwar sehr darauf, ihr Filme ab 12 zu zeigen, sie kriegt ja schon eine Krise, wenn sich bei der Teenager-Romanze "La Boum – Die Fete" ein Kuss andeutet. Aber dann schauen wir zur Abwechslung doch mal "Toni Erdmann", die gefeierte Vater-Tochter-Geschichte ab 12, dachte ich. Zu unseren dampfenden Nudeln servierte uns die FSK eine Szene, bei der erste eine Line Koks gezogen und dann ein Quickie auf dem Hotelsofa hingelegt wurde.

Von wegen deutsche Musikgeschichte

Bei "Lindenberg! Mach Dein Ding" wollte ich ihr ein Stück deutsche Musikgeschichte zeigen, altersgerecht aufbereitet ab 12. An dem Abend gab's wieder Nudeln, aber diesmal mit LSD und Analverkehr. Das heißt, es könnte auch eine simple Nummer a tergo gewesen sein, als der junge Udo in einem Striplokal auf der Reeperbahn spielt, man steckt ja nicht drin. Aber immerhin kann meine Tochter nun auch bei diesem Thema glänzen, wenn es mal im Bio-Unterricht drankommen sollte.

Fellatio haben wir neulich bei "Fearless Flyers – Fliegen für Anfänger" abgehakt, einer putzigen Komödie ab 12. Darin geht es um Menschen mit Flugangst, die zu einem selbsttherapeutischen Trip abheben. Auf dieser Reise zu sich selbst entdeckt einer der Patienten seine Liebe zu einem Mann und feiert sie in einem spontanen Akt von Fellatio. Daran hatten auch wir beide noch zu kauen… Ein gelungener Abend, danke, FSK!