Westermann liest: Würden Sie eine Verjüngungspille nehmen? Maxim Leo geht dieser Frage nach

Moderatorin, Journalistin und Autorin Christine Westermann liebt Bücher. Hier stellt sie alle zwei Wochen ihre Neuentdeckungen vor. Diese Woche: "Wir werden jung sein" von Maxim Leo.

Auf dem Foto hinten im Buch ist er noch jung. Viele lange Haare, die Zigarette klebt lässig zwischen den Lippen, er schaut in die Kamera, als könne ihm keiner was.

Dieses Foto versetze den Autor in seine Jugend, steht im Klappentext. Die liegt schon einige Zeit zurück, mittlerweile ist Maxim Leo 54 Jahre alt, schon lange Bestsellerautor. Seine Frau sagt, wenn er etwas erzähle, könne man getrost zwanzig Prozent abziehen, weil er so ein fabelhafter Übertreiber sei. Wenn einer dazu auch noch ein ausgezeichneter Schriftsteller ist, wird ein neues Buch zum Glücksfall.

In seinem Roman "Wir werden jung sein" hält er sich mit Übertreibung zurück, bleibt ziemlich nah an den Fakten und der Wahrheit. Dass man nämlich menschliche Zellen durch Reprogrammierung verjüngen kann, hat der Japaner Shin’ya Yamanaka herausgefunden und dafür den Nobelpreis bekommen. Weltweit arbeiten seitdem Wissenschaftler mit riesigen Budgets an der Entwicklung einer Verjüngungspille, "wovon außerhalb der Wissenschaftswelt kaum jemand Notiz zu nehmen scheint", sagt Maxim Leo in einem Interview. Für ihn ist "forever young" keine Frage mehr des Ob, sondern des Wann.

Auf einmal wieder jung – dank einer kleinen Pille

In seinem Roman passiert es genau jetzt, im Sommer 2024. An der Berliner Charité forscht Professor Martin Mosländer an der Entwicklung eines Medikaments zur Reprogrammierung von Herzmuskelzellen, sie sollen sich verjüngen. Bislang hat er es erfolgreich an Mäusen erprobt, jetzt nehmen an seiner Studie vier herzkranke Menschen teil. Nach nur wenigen Monaten zeigen sich erste Erfolge. Mit ungeahnten Nebenwirkungen.

Der 17-jährige Jakob bleibt äußerlich unverändert, seine Zellen aber verjüngen sich dramatisch. Blöd für ihn, weil er das erste Mal verliebt ist, seine Lust auf Sex nur leider gen null tendiert, weil sich seine Zellen im Embryo-Stadium befinden.

Eric Verdin über das Altern 7.56

Die Lehrerin Jenny, die dachte, sie könne keine Kinder bekommen, wird unverhofft schwanger.

Der schwerreiche Immobilienmensch Wenger, der wegen seiner Herzprobleme nicht mehr leben will, teilt das seiner Familie an seinem 80. Geburtstag mit. Um kurz darauf, zur Verzweiflung seiner Erben, wieder aufzublühen.

Und Verena, die Ex-Schwimmerin, Olympiasiegerin über 100 Meter Freistil, stellt bei einem Schaukampf neue Rekorde auf, macht Schlagzeilen. Damit ist die Nachricht von der Verjüngungspille in der Welt. Ein bahnbrechender medizinischer Fortschritt, aber ungefähr so, als "hätte man einen Motor in ein Auto eingebaut, ohne zu wissen, wo sich das Gaspedal und die Bremse befinden".

Was kann das für uns alle bedeuten?

Maxim Leo schreibt witzig und vergnüglich. Schafft auf 300 Seiten nahezu perfekt und mit leichter Hand den literarischen Drahtseilakt zwischen Roman und Sachbuch. Er hat sich von Wissenschaftlern beraten lassen, bezieht mögliche gesellschaftliche und moralische Konsequenzen der Verjüngungspille mit ein.

Hat der Mensch das Recht, Gott zu spielen? Findet die Jugend nicht vor allem im Kopf statt? Bekommt man mit der Pille auch "die Begeisterung, die Naivität zurück? Und diese ständigen ersten Male?"

Bliebe man der, der man ist? Oder würde man sich neu erfinden wollen?

Wenn es sie gäbe, die Pille, würde der Autor sie nehmen? "Ich denke schon, weil ich neugierig bin … und auch nichts dagegen hätte, die verdammten Rückenschmerzen loszuwerden, beim Fußball wieder lossprinten zu können."

Schön wäre es auch, "wieder ein paar Haare mehr auf dem Kopf zu haben".

So viele wie hinten im Buch auf dem Foto, als er noch jung war.